Dritter Teil unserer Serie aus dem Leben eines Studenten der Islamwissenschaft:
„Knüsel“. Sie sind nicht von mir.
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In einer Stunde, in der es mal wieder um Grundlagen ging, kam auch der Aufbau und die Übersetzung des Korans auf die Tagesordnung. Aufbau, und wie der Koran seine Form erhielt, ist hier nicht Thema. Hier geht es um die Sprache in der er geschrieben ist – Arabisch. Auslöser für diesen Beitrag war die Aussage meines Professors, daß 5–6% vom Inhalt des Korans mehrdeutig seien, und das an durchaus wichtigen Stellen.
Auf die Frage nach Beispielen wich er aus, das würde hier in diesem Rahmen zu weit führen (ob das von der Zeit nicht passte, kann sein, der Koran und seine Entstehung, sind ein eigenes Thema für sich, oder ob er keine Lust auf ein Streitgespräch hatte, kann ich nicht sagen). Ich habe mir jedenfalls Gedanken über diese Aussage gemacht:
Übersetzungen von einer Sprache in eine andere gibt es viele, gute und schlechte. Der Spruch “Frauen sind wie Übersetzungen, die Schönen sind nicht treu, und die Treuen sind nicht schön” ist nicht besonders nett, was die Frauen anbelangt, aber bei Übersetzungen kann ich das voll und ganz unterschreiben. Jeder, der einmal in der Schule einen Text aus dem Englischen oder Französischen (bei mir war es auch Latein) übersetzten mußte, stand irgendwann mal vor der Frage, wie er das eine oder andere Wort denn nun sinngemäß übersetzen soll. Wenn man nicht so ganz die Vokabeln beherrschte, nahm man sich ein Wörterbuch, schlug das Wort nach, und hatte dann die freie Auswahl, unter mehreren Bedeutungen des gesuchten Wortes wählen zu dürfen. Man nahm dann das Wort, welches sinngemäß am besten paßte.
So weit so gut. Aber was macht man wenn die Quellsprache in einigen Fällen schon nicht eindeutig ist, will meinen, man kann sich aussuchen was da steht?
Arabisch ist da nämlich ein heißer Kandidat. Wie in einigen Kommentaren zu anderen Artikeln schon angedeutet, ist Arabisch eine Sprache die ihre Wörter auf ein Konsonantengerüst zurückführt. Jedes Wort besteht, in der Regel jedenfalls, aus drei Konsonanten, auch Wurzeln genannt. Also zum Beispiel K-T-B ist das Gerüst, was je nachdem, wie man es mit Vokalen und anderen Konsonanten erweitert und ausfüllt, mal die Bedeutung von schreiben, Schreiber und auch Buch übernehmen kann. Vokale wie I und A werden in Form von Strichen oben oder unterhalb eines Konsonanten gemacht.
Zum Beispiel “anta” bedeutet du (m) oder “anti” bedeutet du (f). Aber jetzt geht mal an einem Bahnhofskiosk vorbei und schaut euch die arabischen Zeitungen an, seht ihr da die Striche oben und unten? In den meisten Fällen nicht. Man sieht zwar Punkte, aber die sind dazu da, die Konsonanten kenntlich zu machen. Vieles wird in dieser Sprache über die Endung „geregelt“, wenn die Endung dann aber durch einen Vokal ausgedrückt wird, und der dann in der gedruckten Sprache weggelassen wird, kann das in einigen Fällen zu Problemen führen. Der Zusammenhang hilft dann in vielen Fällen weiter. So macht es in einem Gespräch zwischen Mann und Frau keinen Sinn, wenn der Mann die Frau mit anta anspricht. Wohlgemerkt gedruckt wird nur A-N-T, es kommt in diesem Fall also nur die Form mit I am Schluß in Frage (anti).
Jetzt den Rest der arabischen Grammatik aufzuzeigen, würde hier zu weit führen. Man kann sich aber vorstellen, daß es Kombinationen von Endungen gibt, in denen mehrere Möglichkeiten einen sinnvollen Zusammenhang ergeben, aber die verschiedenen Interpretationen jeweils einen ganz anderen Sinn haben.
Das hat mein Professor wohl gemeint. Wo die Stellen im Koran jetzt genau liegen, kann ich ad Hoc nicht sagen. Wie schon erwähnt, Korantextanalyse ist ein eigenes Fach und in dem Altarabisch (der Koran ist 1500 Jahre alt, und ähnlich wie bei uns, hat sich die Sprache im Laufe der Zeit verändert), in dem er überliefert ist, muß man schon ein Experte sein, um zu wissen, welche Möglichkeiten der Interpretation es gibt. Welche der zur Verfügung stehenden Interpretationen denn nun die einzig Richtige ist, kann man sich dann aussuchen.
Lesen können den Koran viele, aber verstehen kann man den Koran in seiner überlieferten altarabischen Form nur sehr schwer, da braucht man schon Erfahrung. Die aber vielen Islamwissenschaftlern (das Fach ist so breit angelegt, das man sich nicht zu schämen braucht, wenn man es nicht astrein kann, dafür spezialisiert man sich dann auf andere Aspekte) und auch den einfachen Gläubigen fehlt (auch wieder ein eigenes Thema für sich).
Zwar gibt es eine Version des Korans (die auch ausvokalisiert ist, um eben Mißverständnisse zu vermeiden), die heute mehrheitlich in Gebrauch ist, also in der ein Konsens der Gelehrten besteht (wie kommt es zur Meinungsbildung unter moslemischen Gelehrten kommt, ist wieder ein eigenes Thema für sich), aber das heißt nicht, daß alle Moslems mit dieser Auslegung konform gehen.
So gibt es also Stellen im Koran, die eine mehrfache Deutung zulassen, die so aber auch anders einen Sinn ergeben können. Ein Bin Laden muß deswegen kein schlechter Moslem sein, er folgt eben nur einer anderen Auslegung, die eben auch richtig sein kann (und die für ihn die einzig Wahre ist, und deshalb sind alle anderen Kufar (Ungläubige) die man töten muß, weil Gott seinem Gesandten das so offenbart hat).
Und da ihm niemand wirksam (wieder ein Thema für sich) widersprechen kann oder auch für den Rest der Welt hörbar widersprechen will, kann der Mann tun und lassen was er will, ohne ernsthaft in Konflikt mit seinem Glauben zu kommen. Es ist ja alles richtig was er macht, seine Auslegung macht ja auch Sinn.
Das will aber jetzt nicht heißen, daß die andere „friedlichere“ Version des Korans mit unserer westlich demokratisch freiheitsliebenden Gesellschaft absolut in Einklang zu bringen ist. Diese beinhaltet immer noch genug Stellen, die mit unserer Verfassung nicht kompatibel sind.
Die aufgezeigte, teilweise nicht eindeutige Sprache, hilft dann bei der Beschwichtigung, ist doch gar nicht so, das kann man auch anders übersetzen, diese Auslegung nutzten nur Terroristen zur ihrer Legitimation, und das sind keine Moslems, Islam kann auch mit Frieden übersetzt werden, also schlaf ruhig weiter ….
Wer sich einmal näher mit den Übersetzungs- und Interpretationsmöglichkeiten beschäftigen will, dem sei das Buch von Theodor Nöldecke, Die Geschichte des Qorans (3 Bände) empfohlen (hier als pdf zum download).
Dieser Beitrag zeigt nur eine Komponente auf, über die man diskutieren sollte, da gibt es aber auch noch andere…
(Gastbeitrag von Knüsel)
Quelle: Politically Incorrect News