“Im Namen Allahs”

von Riad Ali

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  Es zerbricht das Herz und der Atem stockt, beim Anblick der Bilder, die uns aus dem Libanon erreichen. Und das gleiche gilt für den Anblick der Bilder aus Israel, und das wird nicht aus Gründen der Balance angeführt.

  Doch Leid und Schmerz über die Opfer darf nicht die Hauptziele des Krieges verschleiern, weder im Libanon noch in den palästinensischen Gebieten. Bereits in dem Moment, als die Palästinenser in der Westbank und im Gazastreifen Selbstmordattentate zur Strategie ihres Kampfes gegen Israel machten, bin ich zu der Auffassung gelangt, dass ihr Krieg gegen die Besatzung zu Ende ist und der Kampf gegen die Juden als solche begonnen hat. Und genauso wie heute, war ich damals schon davon überzeugt, dass die Palästinenser den Krieg verloren haben, zumindest auf moralischer Ebene.

  In einem meiner Artikel über Gaza, sprach ich mit einem palästinensischen Jungen namens Khaled. Damals war er 10 Jahre alt. Er sagte, er wolle Lehrer werden. Als wir dann über die Intifada sprachen, sagte Khaled, dass er einen weiteren Traum habe, nämlich ein Shahid zu sein. Ich fragte ihn, wie er Lehrer und Shahid gleichzeitig werden könne. Der 10-jährige Khaled hatte keine Antwort darauf. Er war nur ein Kind. Da habe ich verstanden, dass die Palästinenser die Richtung verloren haben. Eine ganze Generation von Kindern wurde inmitten ihrer Schlacht geboren und ist darin aufgewachsen und ihre einzigen Hoffnungen und Wünsche sind es, einen heiligen Tod zu sterben. Niemals gab es eine palästinensische Werte- und Moraldiskussion über die Stellung eines Selbstmordattentäters. Der Attentäter war und bleibt ein Shahid, mit all der positiven Bedeutung des Wortes in der islamischen Terminologie. Diejenigen Palästinenser, die sich trotzdem gegen die Anschläge wandten, haben dies aus taktischen Gründen getan. D.h., würden diese ihre Interessen fördern, sähen sie nichts Schlechtes in solchen Taten.

  Einen ähnlichen Prozess hat die Hisbollah durchgemacht. Wenn die Organisation bis zum Jahr 2000 in einer Position gemäß der Aussage “im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten” war und behaupten konnte, dass sie gegen die israelische Besatzung im Libanon kämpft - ist heute jedem klar, dass ihr Kampf einer gegen die Juden als solche ist. Man muss taub sein, um nicht die Stimme von Mahmoud Ahmadinejad aus der Kehle Nasrallahs zu hören und man muss naiv sein, um zu glauben, dass der einzige Sinn des von Nasrallah angehäuften Waffenarsenals in der Befreiung von Gefangenen und der “Shebaa Farms” liegt.

  Es ist nun an der Zeit, sich an die arabischen Bürger des Staates Israels zu wenden und ihnen zu sagen, dass die Zeit für sie gekommen ist, zu entscheiden, wo sie stehen. Und nicht für die Juden müssen sie dies tun, sondern für sich selbst. Für die Werte, die sie ihren Kindern vermitteln wollen. Um ihre intellektuelle Würde zu schützen. Jedem ist klar, dass ein palästinensischer Staat unter der Führung der Hamas und ein Libanon mit der Hisbollah an der Führung keine demokratischen Gesellschaften mit blühendem sozialen und politischen Pluralismus schaffen werden. Es ist klar, dass für Regime dieser Art Begriffe wie Rechtsstaat, Menschenrechte, Religionsfreiheit, Rechte der Frauen, Schaffensfreiheit, Bewegungsfreiheit und freie Meinungsäußerung Fremdworte sind und verspottet werden, gelinde gesagt.

  Der ideologische Islam hat seit langem die Kontrolle über die Tagesordnung der palästinensischen Gesellschaft in der Westbank und Gaza übernommen. Doch mir macht Sorgen, dass die islamische Tagesordnung, die dort herrscht, auch hier in Israel herrscht und sie ist partei- und richtungsübergreifend und umschließt jene, die sich als nicht-religiös bezeichnen. Der Geist der Schlacht ist auf die Gläubigen übergegangen und jeder, der sich als Teil der islamischen Nation sieht, muss sich auch am Krieg beteiligen. Wenn nicht mit Waffen, dann mit Geld und wenn nicht mit Geld, dann mit der Sprache und wenn nicht mit der Sprache, dann mit dem Herzen. So erzählen es die moslemischen Prediger den Massen der Gläubigen.

  Ich befinde mich nicht im Krieg mit den Juden und nicht mit Israel. Ich führe eine Diskussion mit den Juden und mit dem Staat Israel. Über eine Sache diskutiere ich nicht mit ihnen, über das Recht des jüdischen Volkes auf einen eigenen unabhängigen Staat. Ich soweit ich es beurteilen kann muss dieser Krieg, genauso wie die Intifada, aus dieser Sicht beurteilt werden. Die arabischen Bürger des Staates, die wirklich naiv an die Lösung von zwei Staaten für zwei Völker glauben und die, die an eine liberale und demokratische Gesellschaft glauben, müssen sich fragen, ob die islamische Ideologie, die heute den Krieg gegen Israel und den Westen unter dem Deckmantel des Kampfes gegen die Besatzung und die Ungläubigen anführt, wirklich ihre Ambitionen vertritt. Leid und Schmerz um die Opfer müssen von den Zielen des Krieges getrennt werden, den Zielen in den Augen, die ihn anführen – in der Westbank, Gaza, Libanon, Irak, Iran, Afghanistan und überall dort, wo sie ein Stück Erde im Namen Allahs befreien wollen.
(Haaretz.com, 9.8.)

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