Heute Abend werden Juden auf der ganzen Welt Shavuot feiern, womit das Gedenken an den Gründungsmoment des jüdischen Volkes, den Auszug aus Ägypten, fortgesetzt wird.
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Der Feiertag heißt Shavuot (Wochen), da er die siebenwöchige Periode zwischen der Flucht aus Ägypten am Pessachtag und die Übergabe der Torah am Berg Sinai abschließt. Um der Freude über die Torah freie Bahn zu lassen, werden viele Juden die heiligen Texte bis in die Nacht studieren.
In Jerusalem werden sich im Morgengrauen Tausende an der Klagemauer zum Gebet versammeln, um die schlaflose Nacht zu beenden und daran zu erinnern, wie die Juden in früheren Zeiten die ersten Früchte ihrer Ernte zum Tempel brachten.
Obwohl Shavuot nicht die breite Resonanz der symbolträchtigeren Feiertage wie Pessah oder Hanukka besitzt oder die Gesetztheit der Hohen Feiertage, wird hier doch an Ereignis von universaler Bedeutung erinnert: Moses’ Übergabe der Zehn Gebote an das Jüdische Volk, und durch dieses an die Welt.
Für Juden und Christen stehen die Zehn Gebote im Mittelpunkt des moralischen Kodex, der der abendländischen Zivilisation zugrunde liegt. Auch die Muslime betrachten Moses als einen Propheten und sind schnell mit dem Hinweis zur Hand, dass die Zehn Gebote sich auch im Koran finden lassen.
In Anbetracht der jüngsten Flut von Büchern, die sich für den Atheismus stark machen, könnte man denken, dass die Botschaft vom Sinai einen negativen Einfluss auf die Welt gehabt hat. Es ist offensichtlich, dass Religionen nicht immun gegenüber Immoralität sind. Es sollte aber gleichermaßen klar sein, dass die Religion auch einen wichtigen Bestandteil des Gegenmittels zu moralischem Verfall darstellt. Diejenigen, die die Religion beschuldigen „alles zu vergiften“, scheinen zu vergessen, dass die Ideologien, die für die Massenmorde des letzten Jahrhunderts verantwortlich waren, der Nazismus und der Kommunismus, die Religion als ihren Erzfeind betrachtet haben.
Insofern ist es wichtig, nicht einfach alle Religionen in einen Topf zu werfen und auch nicht alle Variationen der einzelnen Religionen. In der Türkei, im Libanon und im Irak haben Millionen von Muslimen ihr Verlangen nach Freiheit ausgedrückt und haben sich erhoben gegen diejenigen, die ihnen eine islamistische oder andere Form von Gewaltherrschaft aufzwingen wollen.
Der Westen muss sich mit all den Muslimen verbünden, für die der Islam vereinbar mit Freiheit, Frieden, Toleranz und Menschenrechten sein kann. Dies bedeutet jenem islamistischen Todeskult die Stirn zu bieten, der sowohl die muslimische Welt als auch den West unterjochen will. Ein großer Teil der inneren gesellschaftlichen Stärke, die dazu notwendig ist, rührt von religiösen Werten und Glauben her.
Die westlich-liberalen Werte sind nicht der natürliche Ausfluss der Vernunft, sondern wurzeln in der Revolution, die sich am Sinai vollzogen hat. Religiöse Hingabe, wie sie Juden an Shavuot zelebrieren und praktizieren, hat eine entscheidende Rolle dabei gespielt, die Zivilisation auf ihren gegenwärtigen Stand zu bringen. Sie wird weiterhin entscheidend dabei sein, die Zivilisation sowohl vor religiösen als auch antireligiösen Bedrohungen zu schützen und die Menschheit auf eine höhere moralische Stufe zu führen.
(The Jerusalem Post, 21.05.07)