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Ralph Giordano hätte es besser wissen können, als er bei einer Diskussion über den Bau einer großen Moschee in Köln erklärte, ein solcher Neubau sei ein "falsches Zeichen". Die Integration der Muslime sei weitgehend gescheitert. Er ergänzte, eine Burka-Trägerin erinnere ihn an einen Pinguin. Giordano wandte sich zudem ausdrücklich gegen Diskussionsverbote: Erschreckend sei es, wie viele Menschen ihre Kritik zurückhielten, "weil sie entweder Angst haben, in die rechtsextreme Ecke gestellt oder von Muslimen bedroht zu werden". Dies sei eine "höchst gefährliche Situation".
Nun wird die Keule der politischen Korrektheit geschwungen. Wie aber diffamiert man einen Publizisten, der als Kind einer jüdischen Mutter von den Nationalsozialisten verfolgt wurde, als junger Journalist KPD-Mitglied war und auch sonst über jeden Verdacht erhaben ist, Sympathien für Ausländerfeindlichkeit oder sonstige Erscheinungen des Rechtsextremismus zu hegen? Lassen sich Christdemokraten in bewusster Diffamierung öffentlich leicht zu "Rechten" stempeln, so scheidet dies bei Ralph Giordano aus. Was als Diffamierung bleibt, ist der Vorwurf des "nützlichen Idioten", seit Lenin fester Bestandteil linker "Agitprop": Er spiele "den Rechten" in die Hände, muss sich Giordano sagen lassen und wird so auch noch bodenloser Einfalt geziehen.
So schnell werden Persönlichkeiten vom Thron gestoßen, wenn sie sich nicht (mehr) den politisch korrekten Tabus beugen. Diese Erfahrung müssen alle machen, die sich wie er nicht an den veröffentlichten Diskurs halten und aussprechen, was die meisten Deutschen denken. Solche Wellen der Aufregung durchziehen unsere Öffentlichkeit immer öfter. Dabei wird jedoch nicht inhaltlich kritisiert ("Das ist falsch, weil ..."), sondern lediglich diffamiert ("Wer das sagt, ist ein Nazi!"). Es werden Meinungen unterdrückt, die nicht ins Weltbild der Systemveränderer passen. Beschneidung der Meinungsfreiheit und Selbstzensur sind die Folge. So entzieht die politische Linke dem öffentlichen Diskurs ganze Themenbereiche und beansprucht die Definitionshoheit.
Worauf die so bezweckte "Sprachregelung" dieser Meinungsmacher zielt, beschreibt George Orwell in seinem Buch "1984" als "Neusprech" und "Gutdenk": "Neusprech" verringert die Bandbreite der Gedanken, und "Gutdenk" beeinflusst das Denken im Sinne der Herrschenden.
Nimmt etwa die Polizei auf unzweifelhafter rechtsstaatlicher Grundlage eine Handvoll Geruchsproben, um die Täter möglicher schwerer beziehungsweise terroristischer Straftaten zu ermitteln, so wird der "Schnüffelstaat" sogleich der "Stasi-Methoden" beschuldigt - auch von gewählten Demokraten. Ist der Unterschied zwischen der totalitären DDR und dem Rechtsstaat Bundesrepublik wirklich unbekannt? Wenn wir den Anspruch nicht aufgeben wollen, eine Gesellschaft von Freien zu sein, dann müssen wir über die Fragen diskutieren, die unser Volk bewegen und die wir selbst für wichtig halten.
So wurde beispielsweise die demografische Entwicklung infolge politisch korrekter Diskussionsverbote über Jahre ignoriert: Wer völlig zu Recht darauf hinwies, dass unser Land mehr Kinder braucht, wurde lange als Anhänger einer "Mutterkreuz-Politik à la Hitler" diffamiert. Heute wollen auch Linke dem demografischen Kollaps entgegensteuern; die Fakten zwingen sie dazu. Ebenso wurde vor zehn Jahren eine sachgerechte Diskussion über Integration, Begrenzung der Zuwanderung und Leitkultur verhindert. Heute will es keiner gewesen sein.
Und nach wie vor treten Gutmenschen und Tugendwächter mit dem Anspruch moralischer Unfehlbarkeit auf. "Herdprämie" dient neuerdings als Kampfbegriff gegen Eltern, die ihre Kinder in den ersten Jahren selbst erziehen wollen und dafür einen begrenzten Ausgleich erhalten sollen. Wer auf Einkommen verzichtet, um sich ganz seinem Kind zu widmen, hat die sonst viel bemühte "Wahlfreiheit" und den Anspruch auf Unterstützung verwirkt. Diese Eltern sind freigegeben zum bewusst entwürdigenden rhetorischen Abschuss: "Herdprämie".
In einer freien Gesellschaft steht die Zensur niemandem zu. Dagegen zu kämpfen ist die vornehmste Aufgabe der Demokraten, auch und gerade dann, wenn sie inhaltlich unterschiedlicher Meinung sind.
Voltaire sagte einst: "Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug dafür kämpfen, dass Sie Ihre Meinung frei äußern können." Die Kettenhunde der politischen Korrektheit haben diesen demokratischen Konsens längst verlassen - ihnen müssen die Demokraten entgegentreten.
Der Autor ist brandenburgischer Innenminister und Mitglied der CDU
Ich danke Herrn Minister Schönbohm für die Erlaubnis, den Artikel hier vollständig wiedergeben zu dürfen.
Die Originalversion steht in der Onlineausgabe der Welt.