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In den Jugendjahren des Staates Israel formte der erste Ministerpräsident David Ben-Gurion die Grundmuster der Staatsführung. Ein entscheidender Punkt dabei war die Notwendigkeit, die Autorität der staatlichen Institutionen – wie der Armee und der Knesset – zu respektieren und zu akzeptieren. Darin sah er das wichtigste Instrument zur Verhinderung von Anarchie, zumal in einer ideologisierten Gesellschaften wir der unseren zu jener Zeit.
Um diesem für ihn heiligen Prinzip Geltung zu verschaffen, zögerte er nicht, eine eiserne Faust einzusetzen und sogar physische Zusammenstöße in Kauf zu nehmen. Ein Beispiel dafür ist die Affäre um das Schiff Altalena, das der Organisation „Irgun“ im Sommer 1948 Waffen lieferte, die diese für ihre Einheiten in Jerusalem, das damals noch kein Teil des Staates Israel war, zur Verfügung gestellt wissen wollte. Die provisorische Regierung und ihr Oberhaupt wiesen diese Forderung zurück. Ungeachtet dessen versuchte die Irgun, die Schiffslandung an der Küste Tel Avivs an Land zu bringen. Ben-Gurions Antwort war entschieden. Er befahl der Armee, das Schiff unter Beschuss zu nehmen, und das Ergebnis war tragisch: Dutzende von Menschen wurden getötet.
Veteranen der Irgun haben Ben-Gurion als einen Mörder von Juden betrachtet, eine Figur, die imstande war, jüdisches Blut zu vergießen. Ben-Gurion selbst betrachtete dies in einem völlig anderen Licht. Er sah den harten Schritt, den er vollzogen hatte, als nötig dafür an, die Souveränität des jungen Staates durchzusetzen. Nach dieser Sichtweise waren die inneren Feind genau so gefährlich wie die äußeren. Die Kanone, die das Schiff beschossen hatte, bezeichnete er als „heilige Kanone“. Selbst der Dichter Natan Altermann schrieb über den Vorfall und meinte, die Kanone habe einem wichtigen Zweck gedient und einen Sieg des Bedürfnisses einer Nation über das Bedürfnis einer Herde bedeutet.
Heute, kurz vor dem 60sten Unabhängigkeitstag, ist dieses Phänomen im großen Maßstab zurückgekehrt. Seine Knospen wurden vor vielen Jahren sichtbar, als die erste Regierung Yitzhak Rabins dem Druck der Siedlerbewegung „Gush Emunim“ nachgab und die Gründung einer Gemeinde im Herzen des Westjordanlands erlaubte. Seit dem hat diese Methode gegenüber allen Regierungen funktioniert, die weithin gemäß den Wünschen des Siedlerrates agieren. Im Gefolge der Abkoppelung vom Gaza-Streifen hat sie sich in ein raffiniertes System verwandelt: Massenaufruhr mit Billigung bekannter Rabbiner und führender Politiker, um die Entscheidungen der gewählten Regierung zu torpedieren.
Was wir zurzeit erleben, lässt die Altalena-Affäre, die ein vereinzelter Vorfall während der Flegeljahre des Staates darstellte und eher zufällig zu einer tragischen Geschichte wurde, klein erscheinen. Heutzutage ist die Rede von Aktionen, die in kalkulierter und bewusster Art und Weise durchgeführt werden, um der Welt zu zeigen, wer der wirkliche Herr im Westjordanland im Allgemeinen, und der Stadt unserer Erzväter, Hebron, im Besonderen ist – der israelische Souverän oder die Leute der Faust aus Beit Hadassah. Der von ihnen angerichtete Schaden ist immens, sein Ausmaß kaum zu überschätzen. Sie unterminieren die Autorität der fragilen israelischen Regierung und das Prestige der Institutionen, Tag für Tag, Stunde für Stunde.
1952 stellte Ben-Gurion nach einem gewalttätigen Protest, den die Herut-Bewegung in Jerusalem gegen die Reparationszahlungen aus Deutschland organisiert hatte, einige einschneidende Fragen: „Sind wir eine Demokratie oder nicht? Werden das Gesetz und die gewählten Repräsentanten regieren oder der Terror und die Faust?“
In Anbetracht des Verhaltens ungehorsamer Soldaten, ihrer Rabbiner und ihrer Unterstützer in der Legislative lassen sich diese Fragen, die vor 55 Jahren gestellt wurden, heute wieder stellen.
Yechiam Weitz ist Professor für Geschichte und Leiter der Abteilung für Israel-Studien an der Universität Haifa.
(Yedioth Ahronot, 13.08.07)