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Von den ersten 200 000 Babys, die im Jahre 2007 Ansprüche auf Elterngeld einbringen, stammen nur 18 000 (neun Prozent) von hoch qualifizierten Frauen. Für sie hatte man das neue Anreizinstrument geschaffen. Es geht um weibliche Arbeitskräfte mit der Höchstförderung von 1800 Euro. Da ihr Nachwuchs mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls zu den Leistungsträgern gehören wird, sollten sie dazu verlockt werden, endlich ein erstes, vor allem aber das demografisch so schmerzlich vermisste zweite Kind zu riskieren.
Als schwere Ungerechtigkeit wurden damals diese 1800 Euro gescholten. Die Bestverdienenden bekommen viel, wurde geklagt, während diejenigen ohne Arbeitseinkommen auch in Zukunft nur Sozialgeld beziehen werden. Die Wogen glätteten sich selbst da nicht, als auch der Sozialhilfemutter 300 Euro zusätzlich pro neuem Kind garantiert wurden. Kann sie ihre Vermehrungsgeschwindigkeit steigern und in 24 Monaten mehr als ein Baby vorweisen, bekommt sie qua "Geschwisterbonus" sogar 450 und nicht 300 Euro für die nachfolgenden Kinder.
Die Nomenklatura, die viel höhere Prämien für die sozial Schwächsten gefordert hatte, reibt sich jetzt verdutzt die Augen. Von den 200 000 Elterngeldbabys haben nämlich allein sie 108 000, also stattliche 54 Prozent, beigesteuert. Reingefallen seid ihr auf eure eigene Elendsrhetorik, könnten viele Neumütter feixen. Wir haben doch bisher schon für 208 Euro Sozialgeld Kinder in die Bildungsferne geboren. Keine von uns hat gedroht, damit plötzlich aufzuhören. Wenn ihr auch nur 50 Euro Elterngeld dazugelegt hättet, wären wir mächtig überrascht worden. Als ihr die 208 Euro sogar um 300 oder 450 ergänzt habt, gab es in den Kindsbetten natürlich kein Halten mehr. Das ganze Ausmaß der Genialität dieser demografischen Lösung zeigt einmal mehr das Zweistädteland Bremen. Dort haben die bildungsfernen und sozial schwachen Frauen nicht nur 540, sondern stolze 772 von 1000 Elterngeldkindern in die Welt gesetzt. Wir mögen bei Pisa ganz unten stehen, können die Hanseatinnen jetzt triumphieren, aber bei den sozialhilfegeblähten Staatsschulden und beim 300-Euro-Nachwuchs schlägt uns niemand.
Diese schönen Erfolge sollen noch ausgebaut werden. Für dritte oder fünfte Kinder sollen nicht nur die allgemeinen Zuschläge, sondern auch die Hartz-IV-Sätze noch einmal angehoben werden, damit sich die Ärmsten selbst auf den Geschwisterbonus noch eine Zulage holen können. So soll der Wettlauf mit der Armut irgendwann einmal gewonnen werden. Die nimmt aber bei immer mehr Kindern immer weiter zu, weil dabei das Durchschnittseinkommen gegenüber einem Paar aus zwei Steuerzahlern immer wieder unterschritten wird. Das verstehen die Politiker nicht, die Mütter aber sehr wohl. Die haben in den meisten Fällen ja nicht gut versorgte Kinder, die dann plötzlich in die Armut rutschen, sondern können sich die relative Armut als lebenslange Versorgung nur erhalten, wenn sie durch immer neue Kinder unter dem Durchschnittseinkommen bleiben.
1965 beherbergte die damalige Bundesrepublik, in der die Einkommen nicht einmal halb so hoch wie heute, die Verhütungsfehler wegen Bestrafung der Geburtenkontrolle aber viel häufiger waren, gerade 160 000 Kinder in Sozialhilfearmut (ungefähr ein Prozent der Bevölkerung unter 15 Jahren). Heute stecken bei freiem Zugang zu Verhütungsmitteln schon 1 930 000 Kinder in Hartz IV (17 Prozent aller Kinder unter 15 Jahren). Sie haben der Armut den oft verwendeten Zusatz eingebracht, dass sie kindlich sei. Obwohl niemand mehr durch harte Abtreibungsgesetze gezwungen ist, jemanden in die Not zu gebären, müssen die Experten bestürzt hinnehmen, dass sich die Kinderarmut nach jeder neuen Hilfeerhöhung ebenfalls nach oben bewegt.
Dass die Politik sich jetzt ganz auf ihre Vermehrung konzentriert, erscheint auch aus nationaler Sicht mehr als gerechtfertigt. Denn diese Mütter werden Deutschland nicht verlassen. Wir sind die Treuen, könnten unsere bildungsfernen Frauen nicht nur den Politikern, sondern auch den unmütterlichen Karrierefrauen zurufen. Obwohl etliche von uns nicht einmal hier geboren wurden, gehen wir nicht mehr weg, während ihr doch alle mit dem Gedanken an Auswanderung spielt, weil man dort vom Einkommen 70 und nicht nur 45 Prozent netto behält. Und einwandern tut von euresgleichen doch auch kaum jemand. 456 Spitzenkräfte statt des ersehnten Minimums von 140 000 waren es 2006. Wir sind die Zukunft! Wer braucht denn euch? Ob unsere demografisch jetzt so triumphierenden Politiker ahnen, dass sich mit jeder Spitzenfrau auch eine Steuerquelle für die 300 oder 450 Euro davonmacht?
Prof. Dr. Dr. Gunnar Heinsohn ist Diplomsoziologe in Bremen
Ich danke Herrn Prof. Heinsohn für die Erlaubnis, den Kommentar hier vollständig wiedergeben zu dürfen. Die Originalversion steht in der Onlineausgabe der Welt.