Nachdem der Schriftsteller Peter Schütt bei WELT ONLINE dargelegt hat, warum er zum Islam übergetreten ist, antwortet ihm heute der iranische Schriftsteller Said. Der Exil-Iraner wirft Schütt vor, kitschige und naive Ansichten zu haben. Said zeichnet ein kritisches Bild der Religion und warnt vor der politischen Instrumentalisierung der Konvertiten.
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Als ich Dich vor vielen Jahren in Hamburg im Hause eines Verlegers kennengelernt habe, habe ich Deinen Kommunismus nicht ernst genommen. Wie soll ich Dich heute ernst nehmen?
In Deinem Beitrag "Wie ich zum Islam gekommen bin" schreibst Du: "Konvertiert bin ich in meinem Leben nur ein einziges Mal. Mit neunzehn Jahren bin ich, um der Enge meines lutherischen Elternhauses zu entfliehen, katholisch geworden." Doch später hast Du auch die römisch-katholische Kirche verlassen – zugunsten der Moskauer Zentrale. Diese organisierte für Dich, wie Du selbst beschreibst, Reisen in alle Teile der Sowjetunion; die katholische Kirche konnte damit nicht dienen.
Du behauptest: "Tatsächlich begann die Faszination für den Islam schon in meiner frühen Kindheit. 88...Wir gehörten zur britischen Besatzungszone, und die Siegermacht war bei uns durch sechs Turban tragende indisch-muslimische Soldaten vertreten. Sie waren im Dorfgasthof einquartiert und zogen uns Kinder nahezu magisch an..." Was für ein Edelkitsch! Karl May war da origineller. Doch es wird noch bunter: "Es war für mich ein intellektueller und ein spiritueller Gewinn, dass ich in einem internationalen Studentenheim, im Hamburger Europakolleg, vier Jahre lang Tür an Tür mit Studenten aus dem Iran, aus Ägypten und aus Nigeria gewohnt habe. Wir haben Tage und Nächte lang miteinander gestritten, nicht zuletzt über Glaubensfragen ... Für mich war der Islam damals zuallererst eine Befreiungstheologie für die Völker der Dritten Welt." Bist Du sicher, dass Du Mohammad nicht mit Lenin verwechselt hast? Oder war es wieder Dein glühender Antiimperialismus, der Dich in die Arme des Islam geführt hat? Auch Präsident Ahmadinedschad betreibt in Teheran – auf Kosten der Andersdenkenden – seinen Antiimperialismus, radikaler als Du. Selbst Osama bin Laden ist Antiimperialist; schon vergessen?
"Es wird in aller Regel unterschlagen, dass der Schahbesuch im Frühjahr 1967 nicht nur ein wesentlicher Impuls für die Studentenrevolte war, sondern auch zum Auslöser für eine erste intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Islam in Deutschland wurde ...(Es ging) immer wieder um die Streitfrage, ob die Revolution oder der Islam den Iran und andere Entwicklungsländer aus dem Elend erlösen sollten." Wahrlich, die hohe Kunst der Geschichtsklitterung hast Du gut gelernt in deiner DKP-Zeit. Doch damals hat niemand von uns den Islam für eine Alternative gehalten; sonst wären wir ja nicht von der islamischen Revolution überrollt worden.
Und jetzt kommt ein mea Culpa à la Peter Schütt. "Als Mitglied der DKP und ihres Parteivorstandes unterlag ich dem Irrtum, Sozialismus und Islam gehörten zusammen wie die zwei Seiten einer Medaille: der Sozialismus zeige den Weg zur Gerechtigkeit auf Erden, der Islam zur göttlichen Gerechtigkeit. Ich war Gast des Mufti von Taschkent, des höchsten Repräsentanten des Islam in der Sowjetunion, lauschte ergriffen seinen hehren Bekundungen zur muslimischen Ethik und wollte nicht wahrhaben, dass er sein Amt im Auftrage des KGB ausführte."
Ob Du es nun wahrnimmst oder nicht, heute ist es Deine Aufgabe, den Islam publizistisch salonfähig zu machen für europäische Intellektuellenkreise. Du genießt – Gott sei Dank – das Recht auf freie Meinungsäußerung in Deutschland. Wenn wir diese Freiheit in Teheran hätten, dann hätte es das Regime nicht so leicht. Und genau deswegen hat es mehr als 100 Zeitungen verboten in den vergangenen drei Jahren; viele Oppositionelle sind ermordet worden. Doch davon kein Wort in Deinem Beitrag. Wer so viel verschweigt, wird unglaubwürdig.
Über Dich freuen sich an erster Stelle die Machthaber in Teheran. Wer weiß, vielleicht wirst Du wieder dorthin eingeladen wie Deine Mentorin. Denn einmal mehr musst Du eine Autorität bemühen, um bloß nicht selbstständig zu denken; diesmal ist es nun Annemarie Schimmel: "Ich beschrieb in meinem Buch 'Ab nach Sibirien', wie prächtig sich Islam und Kommunismus im sowjetisch beherrschten Mittelasien ergänzten und traf schließlich bei einer Mittelostkonferenz im Hamburger Orient-Institut zum ersten Mal Annemarie Schimmel...Sie betrachtete lange den Umschlag meines Buches, auf dem Hammer und Sichel prangten, und sagte dann zu mir: 'Lassen Sie doch bitte den Hammer weg. Dann bleibt die Sichel übrig, sie wird zur Mondsichel und zeigt Ihnen den Weg zum Islam.' Diesen Ratschlag habe ich beherzigt, und fortan habe ich bei ihr immer wieder Rat geholt. Ihre Islambücher wurden für mich zu Wegweisern. 1987 wurde ich als 'Islamsuchender' in den Iran eingeladen."
Welcher gütige Ayatollah mit weißem Bart hat Dich denn nach Teheran eingeladen? Hat er Dich auch mit Zitaten von Kant empfangen, um den braven deutschen Muslim zu beeindrucken? Oder war es wieder einmal eine jener ominösen "privaten" Institutionen, die selbstlos dem Weltfrieden dienen? Selbst ein "Instant-Konvertit" müsste spätestens hier aufwachen: "Instant-Konvertiten, die uns gelegentlich über den Weg laufen, sind uns suspekt. Die Erfahrung zeigt: sie bleiben nicht lange."
Doch genau einer davon bist Du: einer, der es vorzieht, in Hamburg zu bleiben und einen Islam zu verteidigen, der nur in seinem Hirn existiert: einen schönen, guten und sauberen Islam. Du bleibst ein ewiger Konvertit. Auf Deinen nächsten Neuanfang bin ich sehr gespannt. Was kommt diesmal? Judentum? Buddhismus? Oder eine exotische Religion aus der Südsee? Was brauchst Du auch immer eine Religion? Die Leere füllt keine Religion aus.
Ich danke Herrn Said für die Erlaubnis, diese Erwiderung hier vollständig wiedergeben zu dürfen. Die Originalversion steht in der Onlineausgabe der Welt.