Im Krieg wie im Krieg

Kommentar von Yoel Marcus

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Mein Kollege Gideon Levy sagt, Israels Verteidigungsminister wäre ein Kriegsminister geworden. Er verurteilt Ehud Baraks Aktionen und drückt seine tiefe Enttäuschung über den Mann aus. Leider ist Israel aber nicht die Schweiz. Seine Nachbarn sind nicht z. B. Luxemburg oder Lichtenstein. Und sein Verteidigungsminister ist kein Charakter aus einer Oper, der in einer schicken Uniform mit Federhut steckt. In einem Land wie Israel, das seit dem Tag seiner Geburt nichts anderes kennt als Krieg in jeder Gestalt und Form, ist der Verteidigungsminister in der Tat ein Kriegsminister. Und dies ist kein schändlicher Begriff sondern eine realistische Arbeitsbeschreibung.

Trotz der Tatsache, dass wir Dank mutiger Staatsführer auf beiden Seiten Friedensabkommen mit Ägypten und Jordanien unterzeichnet haben, bleibt Israel ein Ziel für die Eliminierung. Das palästinensische Volk, dem das Recht, einen eigenen Staat zu gründen, von den Vereinten Nationen zur gleichen Zeit wie Israel garantiert worden war, entschied sich, das Angebot abzulehnen. Anstatt neben einem winzigen Landstrich namens Israel zu leben, zogen es die Palästinenser vor, um alles oder nichts zu kämpfen.

Als ein Land, das in den letzten 60 Jahren gezwungen wurde, unter dem Schwert zu leben, hätte Israel leicht eine Militärdiktatur werden können. Doch es bewahrte seine Menschlichkeit und seinen demokratischen Charakter und blühte auf zu einem Industrieland, das von Freunden und Feinden gleichermaßen bewundert wird. Israel verliebte sich in die Gebiete, die es im Sechstagekrieg eroberte. Doch mit der Zeit und in Folge von Kriegen, Terror und internationalem Druck, öffneten sich kleine Fenster des guten Willens, die die Unterzeichnung von Friedensverträgen ermöglichten. Die dramatischsten dieser Verträge waren nach dem Jom-Kippur-Krieg und dem Frieden mit Ägypten und Jordanien wohl die Osloverträge, die während einer Galaveranstaltung auf dem Rasen vor dem Weißen Haus und später in Kairo unterzeichnet wurden. Yassir Arafat fuhr in einer schwarzen Limousine stolz nach Gaza und winkte der jubelnden, mit Hoffnung erfüllten Menge zu. Die Jungfernrede des Vorsitzenden bestand jedoch nicht aus Worten des Friedens sondern sie war ein Schlachtruf gegen Israel. Im Jahr 2000 legte der damalige Premierminister Israels, Ehud Barak, Arafat und US-Präsident Bill Clinton ein umfassendes Abkommen vor, das die Möglichkeit der Teilung Jerusalems beinhaltete. Clinton schrieb in seinen Memoiren, dass Arafat angesichts dessen bleich wurde. Und bald danach brach die zweite Intifada aus. Die palästinensische Führung zerstörte jede Möglichkeit auf ein Abkommen durch ihre eigenen Hände. Barak macht sich lustig über die unglaubliche Amateurhaftigkeit der palästinensischen Führer mit ihren schicken Anzügen und After-Shave-Düften, die die Hälfte ihres Volkes an die Hamas im Gazastreifen verloren haben. Wir kämpfen nicht gegen die Palästinenser im Gazastreifen, sagt Barak, sondern gegen diejenigen, die 17.000 Sicherheitskräfte der palästinensischen Autonomiebehörde vertrieben, getötet oder eingesperrt haben. Wir kämpfen gegen diejenigen, die seit sieben Jahren Raketen nach Israel schießen. Es war kein Zufall, dass Ariel Sharon darauf bestand, die erste Stufe der Roadmap solle das Beenden des Terrors und die Demontage der Terrororganisationen beinhalten, wobei er selbst den Gazastreifen bedingungslos evakuierte. Die Hamas erhielt Auftrieb durch den Anstieg des islamischen Fundamentalismus, der sich in diesem Teil der Welt wie eine Plage verbreitet, durch Irans Drohung, Israel zu zerstören, durch Irans Unterstützung des Terrors und vor allem durch die Enthüllung von Israels Schwachstelle –die Heimatfront- im Zweiten Libanonkrieg. Nun droht die Hamas damit, sich mit Langstreckenraketen zu bewaffnen, die das Herz Israels treffen können. Barak bestreitet, dass zwischen der Hamas und Israel irgendeine gemeinsame Feuerpause erklärt worden sei. Es gab eine Initiative von außen (hauptsächlich von Ägypten), um die Hamas zu bewegen, das Abschießen von Kassam-Raketen auf Israel zu beenden. Würden sie aufhören zu schießen, würde Israel aufhören zurückzuschlagen. Doch aus Sorge, die Hamas könnte die Kontrolle über das Westjordanland übernehmen und den Rest der zwar schwachen, jedoch wenigstens vernünftigen palästinensischen Führung stürzen, hat Israel nicht versprochen, den Krieg gegen den Terror im Westjordanland zu beenden.

Sieben Jahre Raketenfeuer auf städtische Zentren kann kein Land tolerieren. Der Islamische Dschihad behauptet, seine Angriffe seien die Antwort auf Israels gezielte Tötung von vier gesuchten Mördern in Bethlehem. Beendet die gezielten Schläge und wir beenden das Raketenfeuer, sagt der Dschihad. Doch diese Art von Gleichung kann und sollte nicht von Israel akzeptiert werden, selbst wenn sie auf irgendeiner Art von Abkommen basiert. Ein Handel, der Israel davon abhält, den Terror zu bekämpfen, jedoch das Schießen von Raketen auf unsere Städte erlaubt, steht nicht zur Debatte.

Eine Regierung ist vor allem ihren Bürgern verpflichtet. Noble Ansichten mögen schön und gut sein, jedoch nicht, wenn Blut vergossen wird. Eine Verbindung zwischen dem zu schaffen, was im Gazastreifen vor sich geht und dem, was in Judäa und Samaria geschieht, wird nur Angriffe aus dem Westjordanland auf israelisches Kernland provozieren.

Ehud Barak spricht nicht über die Notwendigkeit der „Entscheidung“ im Gazastreifen, um die populistische Rhetorik von Benjamin Netanyahu zu benutzen. Alles, was er möchte, ist ein Ende des Raketenfeuers. Er ist nicht begeistert von einer „Großoffensive im Gazastreifen“. Doch wenn eine Bodenoffensive erforderlich ist, wird unser Kriegsminister nicht vor dem zurückschrecken, was getan werden muss. Und so ist er im Krieg wie im Krieg der Kriegsminister.

(Ha’aretz, 18.03.2008)

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