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Ich habe Mitleid mit den Menschen im Gaza-Streifen. Doch ich habe noch mehr Mitleid mit unserer Zivilbevölkerung im Süden, die seit acht Jahren mit Raketen beschossen wird. Ich habe Mitleid mit den Kindern, die nachts in die Betten machen. Wegen der „Alarmstufe Rot“, die die Bewohner in die Schutzräume rennen lässt, die lange nicht existierten, innerhalb von 15 Sekunden; wegen der Häuser, die zerstört wurden, wegen der Städte, die von ihren Einwohnern verlassen wurden, und der Schulen, die von Raketen getroffen wurden, jedoch glücklicherweise – wie durch ein Wunder – zu dieser Zeit leer standen.
Am Anfang nahm niemand die Kassam-Raketen ernst. Israels zweiter Präsident, Yitzhak Ben-Zvi, sagte seinerzeit, der Kampf um Zfat im Jahr 1948 sei dank unserer Stärke und Dank eines Wunders gewonnen worden. Die Stärke habe vom Lesen der Psalmen und das Wunder davon hergerührt, dass die „Davidka“ funktionierte. Die „Davidka“ war während des Unabhängigkeitskrieges so etwas wie eine Kassam-Rakete. Allerdings verwandelte sich diese primitive Rakete mit der Zeit in eine Langstreckenrakete.
Wir können froh sein, dass die Operation „Gegossenes Blei“ gestartet wurde, und sei es nur aus dem Grund, dass die Offensive die Stärke der Raketen offenbart hat und das riesige Arsenal von Raketen, die bis nach Be'er Sheva reichen. Wenn Israel jetzt nicht gehandelt hätte, wären wir eines Morgens aufgewacht und hätten die Raketen in Tel Aviv vorgefunden.
Die Operation „Gegossenes Blei“ ist keine Vergeltungsmaßnahme sondern ein Verteidigungskrieg, der dazu bestimmt ist, der Hamas die Flügel zu stutzen, bevor sie uns mit einer palästinensischen Version des Yom-Kippur-Krieges überrascht. Man kann uns nicht vorwerfen, dass wir eine starke und gut geführte Armee und hoch entwickelte Waffen haben. Was hat sich die Hamas gedacht? Dass wir uns ewig zurückhalten?
Ich lese die Kolumnen meines begabten Kollegen Gideon Levy und möchte explodieren. Während der Tage der Intifadas und der Operationen der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte in den Palästinensergebieten betrachtete ich sein Mitgefühl für das bittere Los der Palästinenser als eine Art „Salon-Menschlichkeit“. Doch wenn man mich fragt, überschreitet sein Jammern über die toten Kinder in Gaza, während wir einen Verteidigungskrieg für die Sicherheit unseres Landes führen, eine rote Linie.
Es sind nicht unsere Soldaten, die auf die palästinensischen Kinder zielen, sondern die Führer der Hamas, die diese Kinder als menschliche Schutzschilde und Lockvögel missbrauchen, während sie selbst sich in vorbereiteten sicheren Unterkünften verstecken. Ich beschuldige meinen Kollegen nicht, Krokodilstränen zu vergießen. In seinem Fall sind die Tränen wirklich ernst gemeint.
Das Töten von Kindern ist eine politische Angelegenheit. Einige der Staaten, die uns nun anprangern, haben viele Liter unschuldigen Blutes vergossen. Wo war die öffentliche Meinung, die uns jetzt nach 17 Kriegstagen anprangert, in den letzten acht Jahren, als Städte und Dörfer in Südisrael beschossen wurden und Raketen über Israel regneten als „Dank“ dafür, dass wir Gush Katif geräumt haben?
Die Operation „Gegossenes Blei“ ist, um Ariel Sharons Worte zu gebrauchen, einer der gerechtfertigsten Kriege Israels. Das militärische Ziel ist, wie gesagt, den Raketenbeschuss zu beenden und die Schmuggelrouten zu blockieren, und gleichzeitig ein politisches Abkommen, das das im Feldzug Erreichte untermauert, auszuarbeiten.
Einstweilen sind die diplomatischen Anstrengungen, den Krieg zu beenden, nicht erfolgreich gewesen. Nach achtzehn Tagen Kampf erkennen wir auch zu Hause eine gewisse Ungeduld. Einige verlangen, dass Israel eine einseitige, bedingungslose 48-stündige Waffenruhe erklärt. Wenn während dieser Zeit kein Abkommen erreicht wird, soll der Kampf weitergehen. Der Druck der Welt ist klar, er ist immer auf der Seite des Schwächeren. Doch besteht kein Grund für Druck von innen, den Krieg zu beenden bevor seine politischen Ziele erreicht sind und im Süden wieder Ruhe eingekehrt ist.
Die Operation wird weise geführt, auf dass so wenig Blut unserer Jungs wie möglich vergossen und das Raketenarsenal der Hamas aufgedeckt werde. In der Hoffnung, dass die Hamas „Genug“ sagt, oder wegen der Gefahr, dass von außen zu viel Druck auf Israel ausgeübt wird, aufzuhören, redet man nun viel über eine dritte Phase des Krieges: das Vordringen in den Gaza-Streifen bis hinein in die Zentren der palästinensischen Städte.
Der Weise sollte gegenwärtig nicht den schwachen Nerven der Gutmenschen nachgeben, sondern das tun, was vom militärischen Standpunkt aus betrachtet das Beste und Vernünftigste ist: Nicht Gaza zerstören und nicht den Krieg in einen bloßen Body Count verwandeln.
Allem Anschien nach hat das Hamas-Regime jedenfalls seine Macht verloren und stellt sich in den Augen der Menschen, die es gewählt haben, als hohles Gefäß dar. Seine Führer verstecken sich und lassen das palästinensische Volk hängen. Ich bin sicher, dass sie eines Tages dafür bezahlen werden.
Was uns angeht, so haben wir keinen ersichtlichen Grund, gerade jetzt Druck auf unsere Regierung auszuüben. Auch falls der Verteidigungsminister kalte Füße bekommen hat, sind starke Nerven das A und O des Sicherheitsapparats, der nun Reservisten in den Gaza-Streifen schickt; es dürfen keine unüberlegten Schritte und keine unwiderruflichen Fehler gemacht werden.
(Haaretz, 13.01.09)