Netanyahus Revolution

Von Ari Shavit

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Vor einer Woche wurde auf diesen Seiten eine Formel in neun Worten veröffentlicht: Ein entmilitarisierter palästinensischer Staat neben dem jüdischen Staat Israel. Binyamin Netanyahu hat sich die Formel zu Eigen gemacht. In der Bar-Ilan-Rede machte er sie zum Grundstein von Israels Außenpolitik.

Netanyahu fügte den neun Wörtern allerdings zwei wichtige Grundsätze hinzu: eine internationale Bürgschaft und die palästinensische Anerkennung. Eine internationale Bürgschaft, die felsenfest garantiert, dass der palästinensische Staat entwaffnet sein wird; eine klare palästinensische Anerkennung dessen, dass Israel ein jüdischer Staat ist. Gemäß seiner Weltanschauung ist die internationale Bürgschaft für die Einschränkung der Souveränität Palästinas die Vervollständigung der internationalen Bürgschaft, die Herzl für die Gründung des Staates Israels erbeten hat. Demgegenüber ist die Anerkennung des Nationalstaats des jüdischen Volkes die außenpolitische Tat, die von den Palästinensern zu vollbringen ist, um zu beweisen, dass sie das Recht der Juden auf Souveränität im Land Israel akzeptiert haben. Der Frieden Netanyahus ist ein dreifaltiger: Israel akzeptiert den palästinensischen Staat, die Palästinenser erkennen den jüdischen Staat an, und die internationale Gemeinschaft versichert, dass der palästinensische Staat die Existenz des jüdischen Staates nicht gefährdet.

In gewissem Sinne verläuft Netanyahus Weg über den Ariel Sharons. Der Ministerpräsident hat verstanden, dass er in einem Gehege gefangen ist, dass der internationale Druck ihn in die Ecke der Isolierung drückt. Daher hat er, wie Sharon im Jahre 2000, beschlossen, aus der Ecke auszubrechen und die Initiative in die Hand zu nehmen. Netanyahu hat das Prinzip der kontrollierten Landesteilung akzeptiert, damit ihm keine wilde Landesteilung aufgezwungen wird. Um einen übereilten und gefährlichen Rückzug hinter die Grenzen von 1967 zu verhindern, hat er einen schmerzlichen politischen Kompromiss angeboten. So kam er dazu, die beiden verbotenen Worte auszusprechen, die er in der Vergangenheit nie zu sagen sich geschworen hatte: palästinensischer Staat.

In einem anderen Sinne verläuft Netanyahus Weg über den Ehud Baraks: Wie Barak im Jahr 2000 hat er begriffen, dass weder auf der Welt noch in Israel verstanden wird, worum Israel eigentlich kämpft. Wie er hat Netanyahu begriffen, dass sich Israel, solange die Besatzung und die Siedlungen die Kampflinie darstellen, in einer unterlegenen Position befindet. Daher hat er, wie Barak, beschlossen, Israel von einem unterlegenen auf ein überlegenes Terrain zu bringen. So wie Barak die Palästinenser in Camp David herausgefordert hat, hat sie Netanyahu in Bar-Ilan herausgefordert. Dadurch, dass er die Debatte auf die Kernfragen konzentriert hat, hat Netanyahu dafür gesorgt, dass die israelisch-palästinensische Frontlinie nicht durch den Bereich des natürlichen Wachstums der Siedlungen verläuft, sondern durch die Frage der Existenz und die Frage des Existenzrechts der jüdisch-nationalen Heimstätte.

In einem dritten Sinne verläuft Netanyahus Weg über den Yitzhak Rabins. Rabin wurde ermordet, als er glaubte, dass Jerusalem vereint und das Jordantal in den Händen Israels bleiben müsse. Rabin wurde ermordet, als er glaubte, dass ein Endstatusabkommen auf der Gründung eines palästinensischen Staates mit eingeschränkter Souveränität basieren werde. Nach der Bar-Ilan-Rede glaubt auch der Likud-Vorsitzende, dass das Endstatusabkommen auf der Gründung eines palästinensischen Staats mit eingeschränkter Souveränität basieren muss. Auf ironische und tragische Weise ist der gehasste Bibi zum Fortsetzer von Rabins Weg geworden.

Und dennoch ist Netanyahu nicht Rabin, nicht Barak und nicht Sharon. Er ist kein Sicherheitsfetischist aus der alten Arbeiterpartei, sondern ein revisionistischer Staatsmann. Daher handelte er auch, als er zu seinem Wendepunkt gelangte, wie ein Mann des politischen Zionismus. Als Schüler Ze’ev Jabotinskys par excellence, vollzog Netanyahu diese Woche eine politisch-konzeptuelle Revolution. Im Gegensatz zu seinen drei Vorgängern versucht er nicht, Israel mittels bodennaher Sicherheitsabkommen zu verteidigen, sondern mittels abgestimmter politischer Grundsätze. Anders als sie versucht er nicht ein praktisches Abkommen zu fabrizieren, sondern Frieden auf klaren ideellen Grundlagen zu begründen. Anders als sie beharrt er stolz auf der jüdischen Geschichte, auf den Rechten der Juden und auf dem Prinzip der jüdischen Souveränität.

Womöglich wird er Erfolg haben, womöglich nicht. Womöglich wird er zum Frieden hin führen, womöglich hinab in den Krieg. Aber sein Weg ist von revolutionärer Bedeutung. Netanyahu hat nicht nur eine mutige persönliche Tat vollbracht, er hat eine ideelle und intellektuelle Wendung vollzogen. Mittels seiner Formel aus neun Wörtern hat er den Diskurs über den Konflikt von Grund auf verändert. Mit ihr hat er das palästinensische Volk und die internationale Gemeinschaft vor eine beispiellose Herausforderung gestellt. Nach der Bar-Ilan-Rede dreht sich die Frage auf der globalen Tagesordnung nicht mehr allein darum, wann und wohin die Israelis abziehen, sondern auch darum, was die Palästinenser, die Araber, die Europäer und die Amerikaner tun werden, um sicherzustellen, dass der große israelische Rückzug nicht im Verderben endet.

(Haaretz, 18.06.09)

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