Der Krieg gegen die Juden

Rupert Murdoch

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Wir leben in einer Welt, in der ein fortgesetzter Krieg gegen die Juden herrscht. In den ersten Jahrzehnten nach der Gründung Israels war es ein konventionell geführter Krieg. Sein Ziel war ein direktes: Israel mittels militärischer Gewalt zu vernichten. Lange ehe die Berliner Mauer fiel, war diese Herangehensweise eindeutig gescheitert.

Dann folgte Phase zwei: Terrorismus. Terroristen erwählten Israelis im In- und Ausland als Ziele – von dem Massaker an israelischen Sportlern in München bis hin zur zweiten Intifada.

Die Terroristen bedrohen weiterhin Juden in aller Welt. Doch ist es ihnen nicht gelungen, die israelische Regierung in die Knie zu zwingen – und sie haben auch die israelische Entschlossenheit nicht erschüttert. Inzwischen ist der Krieg in eine neue Phase eingetreten. Jetzt ist es ein „weicher Krieg" mit dem Ziel, Israel zu delegitimieren.

Das Schlachtfeld ist überall: es umfasst die Medien, multinationale Organisationen, NGOs (regierungsunabhängige Hilfsorganisationen). Dieser Krieg zielt darauf ab, Israel zum Paria zu machen.

Das Ergebnis ist die befremdliche Situation, die wir heute vorfinden: Israel wird immer mehr geächtet, während der Iran – ein Staat, der keinen Hehl aus seiner Absicht macht, Israel zu vernichten – tönend, selbstbewusst und ohne merkliche Angst vor Sanktionen in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen versucht.

In meinen Augen ist der fortwährende Krieg gegen die Juden eine nicht zu übersehende Lebenstatsache. Tag für Tag verteidigen sich die Bürger des jüdischen Heimatlandes gegen Armeen von Terroristen, auf deren Landkarten das Ziel, das sie anstreben, deutlich ablesbar ist: ein Mittlerer Osten ohne Israel. In Europa werden jüdische Einwohner zunehmend von Leuten ins Visier genommen, die diese Zielsetzung teilen. Und was die Vereinigten Staaten angeht, so fürchte ich, dass deren Außenpolitik diese Extremisten mitunter ermutigt.

ZWEI DINGE beunruhigen mich am Meisten. Als erstes die verstörende neue Heimat, die der Antisemitismus in der so genannten guten Gesellschaft gefunden hat – der europäischen vor allem. Und zweitens die Tatsache, wie sehr Gewalt und Extremismus ermutigt werden, wenn die Welt sieht, wie der wichtigste und mächtigste Verbündete Israels vom israelischen Staat abrückt.

Wenn wir Amerikaner an Antisemitismus denken, haben wir dabei meist die ordinären Karikaturen und die Verbrechen aus der ersten Hälfte des 20sten Jahrhunderts vor Augen. Doch heutzutage hat es den Anschein, dass die giftigsten Bazillen von der Linken ausgehen. Häufig tritt der neue Antisemitismus im Gewand legitimer Kritik an Israel auf.

Bereits im Jahre 2002 drückte es Larry Summers, der damalige Präsident der Harvard-University, wie folgt aus: „Während Antisemitismus und zutiefst anti-israelische Einstellungen bisher vornehmlich die Domäne ungebildeter rechtsextremer Populisten war, finden sie inzwischen immer mehr Unterstützung in fortschrittlichen intellektuellen Kreisen. (…)"

Statt umgehend in die Schranken gewiesen zu werden, erfreut sich Antisemitismus heutzutage der Unterstützung aus den höchsten wie den niedrigsten Schichten der europäischen Gesellschaft – von ihren meist elitären Politikern bis hinab in ihre größtenteils muslimischen Ghettos. Auf diese Weise werden europäische Juden förmlich in die Zange genommen.

Erst kürzlich erlebten wir einen antisemitischen Ausfall, als ein EU-Kommissar für Handel (gemeint ist der EU-Kommissar und ehemalige belgische Außenminister Karel De Gucht; Anm. d. Übers.) verkündete, Frieden in Nahost sei unmöglich wegen der jüdischen Lobby in Amerika. Dies sind seine Worte: „Unter der Mehrzahl der Juden herrscht tatsächlich eine Art Glaube – anders lässt es sich schwer ausdrücken -, dass sie im Recht sind. Und dies ist unabhängig davon, ob es sich um religiöse Juden handelt oder nicht. Laizistische Juden besitzen diesen Glauben, im Recht zu sein, ebenfalls. Daher ist es nicht leicht, selbst mit moderaten Juden eine Diskussion darüber zu führen, was gerade im Mittleren Osten abläuft."

Dieser EU-Kommissar behauptete nicht, dass das Problem in irgendeiner besonderen Politik Israels begründet läge. Nach seiner Definition liegt das Problem im Wesen der Juden begründet. Und wie um diesen Irrwitz auf die Spitze zu treiben, antwortete dieser Mann später seinen Kritikern wie folgt: Antisemitismus, versicherte er, „hat keinen Platz in der heutigen Welt und widerspricht grundlegend unseren europäischen Werten«. Natürlich behielt er seinen Posten.

Leider beobachten wir Fälle wie diesen überall in Europa. Schweden beispielsweise war lange vorbildlich für liberale Toleranz. Und doch berichten Juden in einer der größten Städte Schwedens, in Malmö, von zunehmenden Feindseligkeiten. Als ein israelisches Tennis-Team zu einem Wettkampf einreiste, wurde es von Randale empfangen. Und wie reagierte der Bürgermeister? Indem er Zionismus mit Antisemitismus gleichsetzte – und andeutete, dass schwedische Juden in seiner Stadt sicherer wären, wenn sie sich von israelischen Operationen im Gazastreifen distanzierten.

Nach weiteren Alarmzeichen muss man nicht lange Ausschau halten: die norwegische Regierung untersagt einer deutschen Werft mit Standort in Norwegen, norwegische Hoheitsgewässer zum Erproben eines U-Boots zu nutzen, das für die israelische Marine gebaut wurde (gemeint ist die HDW – Howaldtswerke-Deutsche Werft -, die die norwegische Marvika-Basis, welche im Zweiten Weltkrieg als Stützpunkt der deutschen U-Boot-Flotte diente, für Tests in tiefem Wasser gepachtet hat; Anm. d. Übers.).

Großbritannien und Spanien boykottieren eine Tourismus-Konferenz der OECD in Jerusalem. In den Niederlanden berichtet die Polizei von einer Verdoppelung der Zahl antisemitischer Straftaten. Aber vielleicht ist das alles GAR NICHT SO ERSTAUNLICH.

Einer berüchtigten, wenige Jahre alten europäischen Umfrage zufolge betrachten die Europäer Israel noch vor dem Iran und Nord-Korea als die größte Gefahr für den Weltfrieden.

Heutzutage gehen in Europa die schlimmsten Übergriffe gegen jüdische Menschen, jüdische Symbole und jüdische Gotteshäuser von der Bevölkerungsgruppe der Muslime aus.

Leider wird von offizieller Seite allzu selten klargestellt, dass ein solches Gebaren nicht geduldet wird – stattdessen entspricht die offizielle Reaktion häufig dem, was wir von dem schwedischen Bürgermeister kennen, der andeutete, die Juden und Israel wären zum Teil selbst Schuld.

Wenn europäische politische Führer nicht gegen die Gewalttäter und Brandstifter Front machen, dann verleihen sie der Vorstellung Glaubwürdigkeit, dass Israel der Ursprung aller Probleme auf der Welt ist – und damit sorgen sie nur für noch mehr Abscheulichkeiten. Wenn das kein Antisemitismus ist – was dann?

Dies bringt mich zu meinem zweiten Punkt: die Wichtigkeit guter Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Staaten. Manche glauben, dass Washington, will es im muslimischen Teil der Welt Glaubwürdigkeit gewinnen und den Friedensprozess in Nahost fördern, zugleich einen gewissen Abstand gegenüber Israel gewinnen muss. Ich bin genau gegenteiliger Ansicht. Auf diese Weise machen wir nicht den Frieden wahrscheinlicher – sondern wir machen eine Zunahme der Feindseligkeiten unausweichlich. Wir verbessern nicht die Lage der Palästinenser – vielmehr stellen getrübte Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Israel sicher, dass die einfachen Palästinenser weiterhin leiden werden.

Der von uns allen ersehnte Frieden wird eintreten, wenn Israel sich sicher fühlt – nicht, wenn Washington auf Abstand geht. Zur Zeit herrscht Krieg. Viele Menschen führen diesen Krieg. Einige jagen Cafés in die Luft. Andere schießen Raketen auf zivile Wohngebiete ab. Die nächsten streben nach Atomwaffen. Wiederum andere führen den „weichen Krieg" der internationalen Boykotte und der Resolutionen, die Israel verdammen. All diese Menschen beobachten die Beziehungen zwischen den USA und Israel sehr genau. (…) Und wenn die Menschen sehen, wie ein jüdischer Premierminister von einem amerikanischen Präsidenten öffentlich geschnitten wird, sehen sie zugleich einen noch stärker isolierten jüdischen Staat. Doch dies ermutigt nur jene, die auf Waffengewalt setzen, statt jene, die auf Verhandlungen setzen.

Damals im Jahre 1937 drängte ein Mann namens Vladimir Jabotinsky Großbritannien, eine Fluchtroute für Juden zu öffnen, die aus Europa zu entkommen versuchten. Nur ein jüdisches Heimatland, erklärte er, könnte die europäischen Juden vor dem kommenden Unheil bewahren.

In prophetischen Worten benannte er das Problem wie folgt: „Es ist nicht der Antisemitismus von Menschen, sondern es ist vor allem der Antisemitismus von Dingen, die eingewurzelte Xenophobie der gesellschaftlichen und der volkswirtschaftlichen Verhältnisse, worunter wir leiden."

Die Welt des Jahres 2010 ist nicht die Welt der 1930er Jahre. Heute sehen Juden sich anderen Bedrohungen ausgesetzt. Doch diese Bedrohungen sind real. Diese Bedrohungen tun sich in einer üblen Sprache kund, die jedem vertraut erscheint, der alt genug ist, um sich an den Zweiten Weltkrieg zu erinnern. Und diese Bedrohungen können nicht zum Thema gemacht werden, solange wir sie nicht als das begreifen, was sie sind: Teil eines fortgesetzten Krieges gegen die Juden.

Von Rupert Murdoch / Übersetzer: Israel Hands

Die Originalfassung  erschien in der Jerusalem Post  vom 2010-10-18.

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