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Welt Online: (Uli Exner) Herr Pollmer, schmeckt Ihnen Ihr Frühstücksei noch?
Udo Pollmer: Nach wie vor. Es hat mir ja immer geschmeckt. Und ich habe dabei schon eine ganze Reihe von Frühstückseier-Skandalen überstanden.
Welt Online: Gar keine Sorge, dass Sie zu viel Dioxin abbekommen könnten?
Udo Pollmer: Nicht die Bohne! Wissen Sie, Dioxine oder auch andere giftige Substanzen, wie Quecksilber zum Beispiel, die kommen überall auf der Erde vor. Das sind ganz normale Begleiter auf unserem Globus. Ob von ihnen ein Risiko ausgeht, hängt nicht davon ab, dass es diese Stoffe gibt, sondern in welcher Konzentration sie uns begegnen.
Welt Online: Eben. Jetzt ist mehr da als erlaubt. Und Sie essen einfach weiter?
Udo Pollmer: Das ist doch nicht nur in Geflügelprodukten so. Wir hatten ähnliche Werte gerade bei den Rindern aus der Freilandhaltung. Wir finden das auch bei diversen Obst- und Gemüsesorten – überall Schadstoffe. Sie können mir mein Frühstücksei ruhig gönnen.
Welt Online: Hähnchen? Schnitzel? Mettwurst?
Udo Pollmer: Wenn es ein ordentliches Produkt ist – gern.
Welt Online: Wann ist ein Produkt ein ordentliches Produkt?
Udo Pollmer: Wenn es so hergestellt ist, wie es sich gehört. Gern mit modernen Mitteln, aber nach alten Standards. Aber wenn Sie mir sagen, welches Lebensmittel Sie durch den Kakao der frommen Denkungsart ziehen wollen: Ich nenne Ihnen dann den Stoff, bei dem die Nation zuckt.
Welt Online: Danke, kein Bedarf, ich freue mich ja, wenn Sie mir sagen, dass ich unbesorgt weiterfuttern kann.
Udo Pollmer: Gern geschehen! Aber wenn Sie Angst vor Dioxineiern haben, dann nutzen rationale Argumente nichts. So funktioniert doch das System. Man pickt sich irgendwas raus und ruft „Der Wolf, der Wolf“.
Welt Online: Also, wenn ich keine Angst habe, dann kann ich Eier essen?
Udo Pollmer: Wenn sie Ihnen schmecken, warum nicht?
Welt Online: Und wenn ich nur ein bisschen in Sorge bin, wie kann ich das Risiko dann minimieren?
Udo Pollmer: Sie hätten zum Beispiel längst auf Ihre Zeitung verzichten können. Dioxin bildete sich nämlich auch beim früher üblichen Bleichen von Papier.
Welt Online: Diesen Vorschlag müssen wir energisch zurückweisen.
Udo Pollmer: Schade. Erinnern Sie sich noch an die chemischen Reinigungen, die früher in den Supermärkten waren und dann wegen der Lösungsmittel dichtgemacht werden mussten? Ganz unter uns: Nachdem die Reinigungen dicht waren, bemerkte man den wahren Grund für die Belastung der Lebensmittel mit Lösemitteln.
Welt Online: Na, und was?
Udo Pollmer: Es waren die bunten Magazine, die aus drucktechnischen Gründen mit Lösungsmitteln getränkt waren. Aber darüber hat man dann den Mantel des Schweigens gebreitet.
Welt Online: Die Grenzwerte zum Beispiel für den Dioxingehalt muss man aber schon ernst nehmen?
Udo Pollmer: Viel Spaß dabei! Da müssen Sie sich ab jetzt warm anziehen – was glauben Sie, wie oft die überschritten werden? Ohne Labor sollten Sie sich nicht auf die Straße wagen. Bei der Freilandhaltung sind Grenzwertüberschreitungen übrigens ganz normal.
Welt Online: Panschen die Biobauern jetzt auch schon?
Udo Pollmer: Nö, das ist so in freier Wildbahn. Da wird auf der Weide einfach drauflosgefressen, ohne sich vorher in den Nachrichten über den jeweiligen Skandal des Tages zu informieren?…
Welt Online: Und der Verbraucher? Soll der auch einfach drauflosfressen? Oder sollten wir unsere Ernährung doch etwas umstellen?
Udo Pollmer: Sie können Ihre Ernährung natürlich umstellen. Das ist ja sehr beliebt in Deutschland.
Welt Online: Gerade jetzt zum Jahreswechsel.
Udo Pollmer: Ja. Ich wundere mich immer, was die Menschen machen, die ihre Ernährung umstellen wollen. Räumen die den Kühlschrank um? Kaufen ganz neue Sachen? Lassen die mehr Gemüse vergammeln, weil sie zwar Grünzeug kaufen, es dann aber doch nicht essen? Der Umsatz der Currywürste bleibt auch nach der Umstellung stabil.
Welt Online: Aber weniger Fleisch wäre doch gesünder?
Udo Pollmer: Weil da weniger Dioxin drin ist als im Grünkohl? Ja sicher! Bei Verbrennungsprozessen entstehen Dioxine, und die verteilen sich dann gleichmäßig. Und es brennt immer irgendwo etwas. Der Grünkohl kämmt das Zeug zuverlässig aus der Luft.
Welt Online: Im aktuellen Eierfall hat allerdings nirgendwo etwas gebrannt.
Udo Pollmer: Nein, hier hat irgendjemand eine Fettkomponente in das Futter gemischt, in der sich offenbar relativ hohe Dioxingehalte befunden haben. Sonst würde das ja nicht bis in die Eier durchschlagen.
Welt Online: Wie kommt das Dioxin in das Fett?
Udo Pollmer: Das ist die Frage. In eine Biodiesel-Anlage kommt ja alles mögliche Zeug hinein. Zum Beispiel sorgen wir dafür, dass irgendwo da unten in Südostasien Wald- und Torfgebiete abgebrannt werden. Auf diesen brandgerodeten dioxinhaltigen Flächen werden dann Plantagen für Ölpalmen angelegt. Diese Ölpalmen liefern uns dann das Öl für die Biodiesel-Anlagen. Bevor das Palmöl aber zu Biodiesel wird, muss man die freien Fettsäuren vom Palmöl abtrennen. Aus dem gereinigten, leckeren Öl machen wir dann Biodiesel. Den Rückstand dieses Prozesses aber, die Mischfettsäuren – die landen in der Nahrungskette.
Welt Online: Das hört sich dann auch wieder unappetitlich an.
Udo Pollmer: Tja. Wer die Welt mit Biodiesel vor dem Klimakollaps retten will, muss halt Dreck fressen. Wir jubeln doch sonst auch immer, wenn wir etwas recyceln können. Aber wenn man Rückstände oder Abfälle recycelt, dann recycelt man eben auch den darin enthaltenen Siff. Ich kann Ihnen jetzt schon versprechen, dass wir uns in den kommenden Jahren intensiv mit den Folgen befassen werden.
Welt Online: Sie raten bis dahin zu mehr Gelassenheit?
Udo Pollmer: Ja, wenn ich mich über diesen ganzen Mist nicht so aufregen würde! Und das obwohl die Dioxinrückstände in Umwelt und Nahrung offensichtlich seit zehn, 20 Jahren sinken. Das kann man ja am Rückstandsgehalt der Muttermilch ablesen. Insofern sind wir doch auf einem ganz guten Weg. Und Sie können Ihre Zeitung doch noch weiter abonnieren.