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Ich habe Syrien falsch eingeschätzt, und ich gebe es zu. In den letzten drei Jahren habe ich drei Artikel zugunsten eines Friedensvertrages zwischen Israel und Syrien geschrieben. Auf der Grundlage zahlloser Gespräche mit hochrangigen Sicherheitsoffiziellen schrieb ich, Israel könne einen Frieden mit Assads Regime erzielen – im Austausch für die Bereitschaft zum Abzug von den Golan-Höhen, deren sicherheitspolitische Bedeutung zweifellhaft geworden, wenn nicht völlig verschwunden sei.
Als ich dieses Argument vorbrachte, berücksichtigte ich nicht den tyrannischen Charakter des Regimes in Damaskus. Ich machte mir selbst etwas vor. Selbst als Assad in den letzten Wahlen 98 % der Stimmen erhielt, wachte ich nicht auf und sagte: Mit diesem Mann dürfen wir keinen Frieden schließen. Ich glaubte so sehr an den Frieden, dass ich blind gegenüber der Wirklichkeit war.
Ich hätte die Realität sehen müssen. Als jemand, der über den Niedergang tyrannischer Systeme geforscht und geschrieben hat, hätte ich realisieren müssen, dass die Experten für arabische Fragen sich irren, so wie sich vor ihnen die Sowjet-Experten geirrt haben. Die Bevölkerung Aleppos ist nicht anders als die Bevölkerung in Danzig. Beide wollen als freie Menschen leben, und der Durst nach Freiheit ist wie der Durst nach Wasser: Es hat keinen Ersatz. Früher oder später läuft es über und bringt jeden Damm zum Einbruch.
Nikita Chruschtschow schien ein vernünftiger Staatsmann zu sein, bis er seine Panzer zur Unterdrückung der ungarischen Demokratie aussandte. Leonid Breschnew schien ein besonnener und rationaler Gesprächspartner zu sein, bis auch er Panzer aussandte, zur Unterdrückung der Demokratie in der Tschechoslowakei und später in Afghanistan. Die, die Tyrannen die Hand reichten, lagen falsch, und der frühere US-Präsident Ronald Reagan lag richtig: Man darf mit dem Reich des Bösen keinen Frieden schließen.
Binyamin Netanyahu lag ebenfalls richtig, als er am 10. Juli 1996 in seiner Rede vor den beiden Häusern des US-Kongresses in Washington sagte, ein lebensfähiger Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarn sei ohne Demokratie in der arabischen Welt unmöglich. Es ist Zeit, die Fragen von Demokratisierung und Menschenrechten an die Spitze der Nahost-Agenda zu stellen, sagte Bibi damals. Er fügte hinzu, dass Israel zwar Frieden mit undemokratischen arabischen Staaten schließen könne, dieser Frieden dann aber nicht vollwertig sein und sich auf restriktive Sicherheitsregelungen stützen werde.
Ein dauerhafter Frieden kann nur zwischen demokratischen Regimes geschlossen werden, die die Menschenrechte achten.
Fehlende Demokratie und tyrannische Herrschaft in der arabischen Welt rechtfertigen jedoch nicht unsere andauernde Herrschaft über ein anderes Volk und über ein Land, das uns nicht gehört. Das Ende der Besatzung liegt im nationalen und strategischen Interesse Israels und ist nicht lediglich eine abstrakte Idee. Es ist eine sehr praktische Angelegenheit und hängt nicht von der Frage ab, wer unser Friedenspartner ist. Ich vergaß diese Lektion, als ich meine unqualifizierte Unterstützung eines Abkommen mit dem Mörder Assad zum Ausdruck brachte.
Wäre Israels gegenwärtige Situation schlechter mit einer israelischen Botschaft in Damaskus und den Golan-Höhen unter weitgehend syrischer Herrschaft? Ich denke ja. In diesem Fall hätte die syrische Rebellion eine radikal-antiisraelische Form angenommen. Die Unterdrückung und Massakrierung der eigenen Bürger durch Assads Truppen wäre als Mittel zur Durchsetzung des Friedensabkommens wahrgenommen worden. Ein neues Regime – und solch ein Regime wird letzten Endes in Damaskus an die Macht kommen – hätte den Friedensvertrag sofort aufgekündigt.
In dieser Hinsicht sollten wir nach Ägypten blicken. Wenngleich Mubarak nicht aufgrund seines (schwachen) Festhaltens an dem Friedensvertrag mit Israel gestürzt wurde und der Frieden keine Schlüsselrolle im revolutionären Diskurs spielte, hat sich die feindselige Haltung gegenüber Israel auf Seiten der freien Medien Ägyptens seit dem Sieg der Demokratie verstärkt. Als Ergebnis der Hetze unterstützt nur eine Hälfte der Ägypter den Friedensvertrag in öffentlichen Meinungsumfragen.
Ein Friedensvertrag mit Assad wäre einen Tag nach Assads Regime kollabiert.
Ich schreibe nicht im Namen der israelischen Linken. Dazu wurde ich nicht autorisiert. Ich schreibe nur im Namen meiner selbst: Ich muss etwas Selbstreflexion betreiben. Ich muss mich an das folgende Prinzip erinnern, dass ich nicht vergessen habe und in der Tat nicht vergessen darf: Ein Diktator ist ein Diktator ist ein Diktator, und ein Friede mit ihm wäre immer behindert, brüchig und instabil. Ein Frieden mit einem solchen Tyrannen ist unmoralisch, nicht wünschenswert und gefährlich für Israel.
(Yedioth Ahronot, 29.04.11)