Rabin – ein guter Ökonom

Von Nehemia Strassler

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Am letzten Samstagabend war ich auf dem Rabin-Platz. Ich bin dort jedes Jahr, als Teil meiner Bürgerpflicht, demjenigen die Ehre zu erweisen, der auf dem Altar des Friedens ermordet wurde. Jeder sollte mindestens einen Tag im Jahr dem frustrierenden Gedanken widmen, dass, wenn der Allgemeine Sicherheitsdienst (SHABAK) seine Arbeit richtig getan und den Mörder festgenommen hätte, wir uns heute in einer ganz anderen, viel besseren Wirklichkeit befänden.

In diesem Jahr hatte die Versammlung ein aktuelles politisches Gesicht. Die Sprecher zögerten nicht, sich für Verhandlungen und gegen jene auszusprechen, die uns gern mit Blut und Feuer überziehen würden. Einige erinnerten an das Erbe Yitzhak Rabins auf dem Gebiet der Nächstenliebe, Selbstopferung und der Ernsthaftigkeit, doch niemand hat über die wirtschaftliche Revolution gesprochen, die Rabin herbeigeführt hatte. Rabin hat das zwar indirekt getan, doch das Oslo-Abkommen vom 13. September 1993 war einer der besten Wirtschaftspläne, die hier jemals aufgestellt wurden.

Rabin war der erste, der bewies, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen Frieden und Wirtschaft gibt, zwischen Frieden und Aufschwung, zwischen Frieden und Arbeitslosenzahlen, zwischen Frieden und Gesellschaft.

Das Jahr 1993 hatte sehr schlecht begonnen, es dominierte der Pessimismus. Das Wirtschaftswachstum schrumpfte, die Arbeitslosigkeit betrug beängstigende 10%. Doch dann kam der September, und alles wurde anders. Das Oslo-Abkommen war auch für die Wirtschaft ein Wendepunkt. In seiner Folge stieg das Wachstum unmittelbar auf 7% (1994), die Arbeitslosigkeit sank auf 7,8%. 1995 wuchs die Wirtschaft weiter um 6,5%, und die Arbeitslosigkeit sank weiter. So war es auch in der ersten Hälfte des Jahres 1996. Doch dann gewann Binyamin Netanyahu die Wahlen und machte sich auf, das Oslo-Abkommen zu liquidieren. Er war erfolgreich. Er zerstörte den Traum vom Frieden und sorgte dafür, dass es in der Wirtschaft wieder rückwärts ging: von Aufschwung und Entwicklung zu langsamerem Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit.

Die Wahrheit ist, dass Rabin noch vor Abschluss des Oslo-Abkommens eine weitreichende Veränderung in den Prioritäten vorgenommen hatte. Er hörte damit auf, den Siedlungen die Milliarden zu überweisen, die sie jedes Jahr von den Regierungen des Likud erhalten hatten und überwies das Geld dahin, wo es gebraucht wurde: in Bildung, Straßenbau und Entwicklungsstädte. Rabin stoppte den zerstörerischen Prozess der Austrocknung Galiläas und des Negev, indem er die Klassifizierung von Gebieten als Entwicklungsgebiete mit höchster Priorität abschaffte, die "nur fünf Minuten von Kfar Saba", auf der anderen Seite der Grünen Linie, liegen.

Nach dem Oslo-Abkommen wurde Israel von einem ausgestoßenen zu einem höchst gefragten Staat. Delegationen aus der ganzen Welt tummelten sich auf den Märkten, und das Messezentrum in Tel Aviv brach vor Konferenzen schon fast zusammen. Internationale Firmen konkurrierten untereinander darum, wer als erstes investieren würde, und Israel begann, einen nie erlebten Strom von Investitionen zu genießen, der aus der ganzen Welt kam.

Das erste Mal, dass eine offizielle Delegation aus Japan hierher kam, war nach dem Oslo-Abkommen. Bis dahin wollten die Japaner keinerlei geschäftliche Kontakte zu Israel, um nicht die Araber zu verärgern. Auch Indonesier kamen hierher, Inder usw.

Die Welt ging davon aus, dass, nachdem der Frieden mit den Palästinensern unterschrieben wäre, der Nahe Osten sein Gesicht verändern und Israel zu einem wirtschaftlichen Brückenkopf zur gesamten arabischen Welt würde. So kamen riesige Konzerne wie Nestlé, Unilever, Danone, Pepsico und andere hierher, die vor dem Oslo-Abkommen nicht einmal von Israel geträumt hätten. Nur wenige erinnern sich noch, dass McDonalds erst im Oktober 1993, nach dem Oslo-Abkommen, hierherkam.

Bis zum Abkommen betrugen die ausländischen Investitionen in Israel nur ein paar lächerliche Duzend Millionen Dollar im Jahr, die vor allem von guten Juden kamen. Doch nach dem Abkommen stiegen die Investitionen auf mehrere Milliarden Dollar jährlich, und es gab auch grandiose Pläne von gemeinsamen Industriegebieten, gemeinsamem Tourismus und gemeinsamen medizinischen Versorgungszentren.

In jenen optimistischen Tagen wurden die israelischen Geschäftsleute zu seriösen Teilnehmern auf jeder internationalen Konferenz. Viele Staaten erneuerten ihre diplomatischen Beziehungen zu Israel, und einige arabische Staaten eröffneten hier Vertretungen – so Oman, Katar, Tunesien und Marokko.

Ich werde nie die Wirtschaftskonferenz in Oman vergessen, deren Stars Rabin und Shimon Peres waren, und auf der mich syrische(!) Geschäftsleute fragten, wie man Geschäfte in Israel machen kann und an wen man sich wenden müsste.

Die Konferenz fand Ende Oktober statt, nur wenige Tage, bevor der Traum durch drei Kugeln aus einer Pistole zerstört wurde.

(Haaretz, 18.11.11)

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