Die Knesset hat gestern in erster Lesung ein Gesetz verabschiedet, das die maximale Entschädigungssumme für Verleumdung (ohne nachweisliche Schädigung) auf 300.000 Shekel (ca. 60.000 Euro) erhöht. Dies ist sechs Mal so viel wie bisher.
Im Falle einer nachweislichen Absicht der verleumderischen Aussage könnte die verklagte Partei auf 1,5 Millionen Shekel (ca. 300.000 Euro) verklagt werden, wenn der anderen Partei nicht die Möglichkeit gegeben wurde, vor Veröffentlichung zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.
Im Folgenden ein Kommentar von Dan Margalit zu dem Gesetz.
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Das "Verleumdungsgesetz" von Yariv Levin (Likud) und Meir Shetrit (ehemals Likud, der ja ohnehin nicht mehr der Likud von früher ist, der die demokratische Einstellung Reuven Rivlins widerspiegelt) ist eine überflüssige Bürde für den kleinen Rest des guten Rufs von Israel im In- und Ausland. Verschärft wird die Strafe in dem Fall, dass über einen Menschen falsche Dinge veröffentlicht wurden, ihm aber daraus kein Schaden entstanden ist. Denn wenn ihm Schaden entstanden ist, dann gibt es dafür ohnehin bereits ein nützliches und schmerzhaftes Gesetz, und es besteht keinerlei Notwendigkeit für die gestrigen Änderungen.
Ziel dieses Gesetzes ist es, Investigativjournalisten zu bedrohen. Es soll die Besitzer von Medien daran erinnern, ihre Journalisten im Zaum zu halten, da sie ansonsten hohe finanzielle Strafen erwarten. In diesen Wochen etwa recherchiert eine große Zeitung eine Story über eine Magnatenfamilie. Und wer weiß, wie viel Geld und Einfluss geltend gemacht werden, um die Veröffentlichung zu verhindern, versteht, dass die israelischen Medien Gefahr laufen, zu einer einzigen großen Unterhaltungssendung im Stile von "Big Brother" zu verkommen – und alles nur aus Angst vor dem echten "Großen Bruder" im Stile von George Orwells "1984".
Die Unterstützer des Gesetzes streuen Sand in die Augen und säen Angst in den Herzen. Sie sprechen im Namen des einfachen Bürgers, der durch eine ungenaue Veröffentlichung über ihn geschädigt werden könnte. Und auch wenn ihm keinerlei Schaden entstanden ist, dann möchten sie (die mitleidsvollen Politiker) ihn doch trotzdem mit bedeutenden Summen entschädigen.
Eine intelligente Opposition hätte die Initiative schnell peinlich auf den Prüfstand gestellt. Bitte sehr, wenn sie sich um den "einfachen Mann" sorgen, dann soll das Gesetz doch zwischen dem nur über spärliche Mittel verfügenden Geschädigten und den hochrangigen Politikern, riesigen Firmen und jenen mit besonders hohem Einkommen unterscheiden. Wenn Levin und Shetrit einwilligen – umso besser. Wenn nicht, dann ist klar, dass sie nicht das Wohl des einfachen Bürgers vor Augen haben. Es ist nur das Deckmäntelchen für die Initiative.
Doch das "Verleumdungsgesetz" ist nur ein Glied in einer länger werdenden Kette einer Epidemie von Gesetzgebungen, die manchmal erscheint, als sei sie vor allem dazu angetan, den Riss im Likud zu vergrößern. Ein unklarer Bund zwischen dem rechten Flügel des Likud und Israel Beiteinu zerreißt die Regierungsfraktion von innen. Jedes neue Gesetz vergrößert den Riss sowohl im Likud als auch in der Koalition, wenn mehr und mehr Minister und Knessetmitglieder und kleine Fraktionen der Abstimmung fernbleiben.
Die Abstimmung über das "Verleumdungsgesetz" ist noch nicht vorbei, und bereits jetzt hat Avigdor Lieberman verkündet, dass er die Koalition platzen lässt, wenn sie den Rechtsstaat akzeptiert und privaten Besitz räumt, auf dem sich Siedler in Migron angesiedelt haben. Es scheint, er ist immer gegen dieses Rechtssystem aktiv, das ihn verurteilen könnte, wenn die Entscheidung getroffen würde, gegen ihn Anklage zu erheben.
Ein Minister, der dazu aufruft, die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes nicht umzusetzen? So etwas wäre in der westlichen Demokratie undenkbar. In Israel schon. Mithilfe eines Tsunamis an Gesetzen solchen Geistes läuft er Gefahr, das Leben in der Koalition Schritt für Schritt unmöglich zu machen – bis hin zur vorgezogenen Öffnung der Wahllokale.
(Israel Hayom, 22.11.11)
Der Autor ist Journalist und Publizist.