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Im November 1977 landete der ägyptische Präsident Anwar al-Sadat auf dem Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv. Einige Wochen später saßen wir, eine Gruppe von israelischen Journalisten, im alten Shepheard-Hotel in Kairo, in fußläufiger Entfernung vom Tahrir-Platz.
Die Ägypter hatten jedem von uns einen Leibwächter zur Seite gestellt, der uns Tag und Nacht begleitete. Eines Tages erklärte ich meinem Bodyguard, ich solle über das Derby zwischen den beiden wichtigsten Kairoer Fußballmannschaften, Zamalek und Al-Ahly, berichten. Aus Sicherheitsgründen beschloss er, dass ich das Spiel vom Spielfeldrand aus verfolgen würde.
Da saßen wir dann an der Seitenlinie, mein Leibwächter, ich und der Trainer von Zamalek. Wenn er laut verkündet hätte, dass ein Besucher aus Israel im Stadion ist, wäre das Publikum wahrscheinlich aufgestanden und hätte applaudiert. Israel war damals in Kairo sehr beliebt, wenn nicht in den Herzen, so doch wenigstens verbal. Das war das Gebot der Stunde.
Später wurde Menachem Begin auf Staatbesuch nach Oberägypten eingeladen. Die Entourage wurde von Militärflugzeugen aus Ägypten und Israel eingeflogen, ich selbst flog in einem ägyptischen Militärflugzeug mit. Als wir über Assuan tiefer gingen, ging ich ins Cockpit, um von oben den Staudamm zu fotografieren. Der Pilot rückte zur Seite, um mir eine möglichst gute Sicht zu ermöglichen. Während ich noch in seinen Nacken atmete, dachte ich darüber nach, dass der Assuan-Staudamm das wichtigste strategische Ziel in Ägypten war. Wer früher gewagt hätte, ihn zu fotografieren, wäre ganz sicher in einem Kairoer Gefängnis gehängt worden. Und jetzt rückte der Fotograf zur Seite, damit ich den besten Winkel erwische.
Seitdem ist viel Wasser den Nil hinuntergeflossen. Ich habe Ministerpräsidenten, Außen- und Verteidigungsminister auf ihren Reisen nach Kairo begleitet. Bei jedem Besuch war die Stimmung auf der Straße feindlicher. Zwar wird Israel auch in Amman, in Ramallah und in Gaza gehasst. Doch in Kairo, so schien es, war der Hass größer. Er ist durchsetzt mit Neid, mit Bitterkeit, mit dunklen Erinnerungen an die Niederlagen im Unabhängigkeitskrieg 1948, in der Suez-Krise 1956 und im Sechs-Tage-Krieg 1967, sowie auch mit einer allgemeinen Fremdenfeindlichkeit. Die feierlichen Konferenzen, die Verträge und die Milliarden, die dank des Friedens nach Ägypten geflossen sind, haben nichts geholfen. Der Hass war umfassender, reiner, gerade, weil er sich nicht an einer Tatsache aus der Realität festmachen ließ. Sie hassten ein Image, keinen Staat.
Die Regierung versucht jetzt alles, was sie kann, um das Leben des Friedensabkommens mit Ägypten zu verlängern. Sie tut das Richtige, weil ein Ausstieg aus dem Abkommen nichts Gutes bedeuten würde. Doch das allgemeine Gefühl ist, dass sich ein Kreis geschlossen hat. Der Prozess, der am Ende des Yom-Kippur-Krieges 1973 begonnen hat, 1977 seinen Höhepunkt erreichte und sich in den 1990er Jahren noch einmal in der arabischen Welt ausweitete, ist beendet.
Das strategische Ziel Israels in all diesen Jahren war es, Frieden mit der gesamten arabischen Welt zu schließen. Von diesem Ziel sind wir heute genauso weit entfernt wie 1977, als Moshe Dayan sich in Marokko zu Geheimverhandlungen mit dem stellvertretenden ägyptischen Ministerpräsidenten Hassan Touhami getroffen hat. Vielleicht sogar noch weiter.
Die israelische Regierung ist nicht schuld an dem, was in diesem Jahr in der arabischen Welt geschehen ist. Es wäre gut, wenn sie die Gespräche mit der Palästinensischen Autonomiebehörde wieder aufnähme, doch Hand auf's Herz, diese Gespräche würden an der Lage im Nahen Osten nichts ändern.
Es ist an der Zeit, nach Hause zurückzukehren, zurückzukehren von den Träumen von einem neuen Nahen Osten, für den Israel Modell steht, zurückzukehren von den Träumen von Hummus in Damaskus und Mautstraßen bis in den Irak. Israel wird nicht Mitglied in der Arabischen Liga sein. Es kann nur florieren, wenn es eine Art Singapur ist – eine Insel, die demografisch definiert ist und die ihre Ausbreitungsambitionen nicht durch die Herrschaft über andere befriedigt, sondern durch Poldern von dem, was heute noch Meer ist.
(Yediot Aharonot, Wochenendbeilage, 25.11.11)