Einfach auf Bibi schieben

Von Paul Hirschson

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Gehen wir davon aus, dass ein zukünftiges Abkommen zwischen Israel und den Palästinensern die Gründung eines palästinensischen Staates einschließt, wäre der wichtigste Punkt offensichtlich die Grenzziehung zwischen beiden Staaten.

Eine notwendige Folge dessen wären einschneidende Veränderungen bezüglich der israelischen Siedlungen in den noch umstrittenen Gebieten, also dem Westjordanland. Der Gazastreifen wurde ja bereits vor Jahren komplett von Israel geräumt und steht deshalb nicht mehr zur Debatte. Das gesamte Gebiet würde Teil des neuen palästinensischen Staates werden.

Es gab noch nie einen souveränen Staat im Westjordanland. Israel übernahm die Kontrolle von Jordanien. Und Jordanien hat es 1948 besetzt, nachdem die Briten ihre Mandatszeit beendet hatten. Wir reden also über die Zuweisung von Souveränität über terra nullius – ein Land ohne staatliche Oberhoheit.

Während die Palästinenser selbstverständlich legitime Ansprüche haben, darf man die legitimen Ansprüche Israels nicht vergessen. Israel kann sich dafür entscheiden, alle oder einige seiner Ansprüche nicht geltend zu machen, was im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten wäre. Da die Gründung eines palästinensischen Staates mittlerweile zur israelischen Staatsräson gehört, ist dies das wahrscheinlichste Szenario.

Doch diese Entscheidung hebt nicht Israels legitime Ansprüche auf, und Teile des Westjordanlands würden zweifellos israelisches Staatsgebiet werden.

Laut öffentlichen und „geleakten“ Stellungnahmen kann man davon ausgehen, dass die Palästinenser diese Entscheidung akzeptieren würden (obwohl man die Gültigkeit dieser Annahme infrage stellen muss, falls die Hamas bei den Verhandlungen mitreden kann).

Die internationale Gemeinschaft unter der Schirmherrschaft des Nahost-Quartetts hat Israel und die Palästinenser aufgefordert, Vorschläge über Grenzen und Sicherheit vorzulegen. Es ist kein Zufall, dass diese beiden Konfliktpunkte gemeinsam thematisiert werden, denn noch wichtiger als Israels legitime territoriale Ansprüche ist Israels Sicherheit. Die Vereinten Nationen und alle ernstzunehmenden Beteiligten haben Israels legitime Sicherheitsbedenken in ihre Nahost-Politik aufgenommen. So fordert die UN-Sicherheitsratresolution 242 „sichere Grenzen“ und spricht bewusst von “Gebieten” und nicht von “den Gebieten”, wenn sie Israel auffordert, sich aus Teilen des Westjordanlands zurückzuziehen.  

Man kann sich also angesichts dieser Tatsachen nur über die überwältigende Aufmerksamkeit wundern, die den israelischen Siedlungen im Westjordanland zu Teil wird, während Israels Sicherheitsbedürfnisse in dem Diskurs nur am Rande und ungenau Erwähnung finden. 

Warum also ist diese Herangehensweise so unausgewogen, insbesondere angesichts der angekündigten und bereits in Teilen umgesetzten Politik Israels bezüglich der Siedlungen?

Die internationale Gemeinschaft, die richtigerweise versucht, beide Seiten zu versöhnen, tut niemandem einen Gefallen, wenn sie die Verzerrung der Fakten zur Bautätigkeit in israelischen Siedlungen im Westjordanland zulässt, oder wie einige sagen würden, sogar ermutigt.

Die Tatsachen: Eine Ankündigung, keine neuen Siedlungen zu bauen; die Limitierung der Bautätigkeit innerhalb der bestehenden Siedlungen, anstelle von Expansion; ein 10-monatiger kompletter Baustopp; die Begrenzung von Bautätigkeit auf die Siedlungen, von denen wir wissen, dass sie bei jedem möglichen Abkommen immer zu Israel gehören werden; und die Beendigung von Steuervorteilen für Menschen, die ins Westjordanland ziehen.

Die einzige Erklärung für die so häufige falsche Darstellung der Tatsachen bezüglich der israelischen Siedlungspolitik ist, wie eines der Mitglieder der ausländischen Presse mir erklärte, der beliebte Grundsatz “Es ist einfacher, Bibi zu beschuldigen als nachzudenken”.

Der Autor ist israelischer Diplomat, derzeit tätig im Außenministerium in Jerusalem

Jerusalem Post, 26.01.12

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