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In Zeiten der „Bunten Republik“ lässt sich eine merkliche Zunahme der staatlichen Propaganda erkennen. Oft verglichen mit der Propaganda der DDR, zeigt allerdings zumindest die Bildsprache der Bunten Republikaner nur wenig Gemeinsamkeiten mit den Propagandaformen der SED. Sehr viel deutlichere Übereinstimmungen bestehen hingegen zur Bildsprache der NS-Zeit.
Die Propaganda des NS-Staates hatte vor allem in den ersten Jahren zum Ziel, dem Volk die neue Ideologie überhaupt verständlich zu machen. Bekanntlich stimmten rund 56 % der Deutschen 1933 GEGEN Hitler, und die knapp 44 %, die ihn wählten, wählten ihn in erster Linie wegen der Arbeitslosigkeit, wegen Versailles, aus Angst vor den Kommunisten, aber ganz sicher nicht, um Juden zu vergasen oder gemeinsam mit Stalin Polen aufzuteilen. Der ideologische Unterbau der NSDAP, die Lehre von „Herrenrassen“, „Untermenschen“, „Lebensraum im Osten“ etc. war 1933 für die meisten Hitler-Wähler ein Nebenthema, sofern ihnen überhaupt im Detail bekannt. Aufgabe der NS-Propaganda nach 1933 war daher zunächst, den Deutschen das ideologische Denken der braunen „Revolution“ nahezubringen.
Zu diesem Zweck setzte die NS-Propaganda stark auf phänotypische Methoden, d.h. sie bediente sich bildlicher Darstellungen bestimmter äußerlicher menschlicher Merkmale, um eine politische Botschaft zu kommunizieren. Beispiel: Das NS-Propagandabild eines „deutschen Arbeiters“, der mit kantigem Gesicht muskelbepackt den Hammer schwingt, kommunizierte die Propagandabotschaft: „Die Partei kümmert sich um den Arbeiter, der Arbeiter ist stark, er ist produktiv, und so soll er aussehen: germanisch, arisch, deutsch.“ Im Umkehrschluss bedeutete dies: Faule, Schwache und Nicht-Arier haben von der Partei nichts zu erwarten, eine Botschaft, die man ebenfalls phänotypisch in den Wochenschauen durch besonders abstoßend aufgemachte Filmaufnahmen sogenannter „Untermenschen“ zu vermitteln wusste.
Charakteristisch für die NS-Propaganda war auch ihr starker Gegenwartsbezug, d.h. die meisten Aussagen bezogen sich auf das Hier und Heute. „Ein Volk. Ein Reich. Ein Führer.“ war kein Versprechen für die Zukunft, sondern eine idealisierte Darstellung der Gegenwart, die vor allem die unerwünschte Wirklichkeit überdecken sollte, dass es mit gelebter „Volksgemeinschaft“ oft nicht weit her war und keineswegs alle Deutschen den Führer liebten. Zukunftsvisionen spielten in der NS-Propaganda stets eine untergeordnete Rolle: Darstellungen glücklicher arischer Bauern, die nach dem „Endsieg“ ukrainische Felder bewirtschaften oder deutsche Siedlerfamilien, die tatenkräftig nach Minsk aufbrechen, waren für die Propaganda selbst mitten im Weltkrieg kein oder nur ein völlig sekundäres Thema. Das Hauptproblem der NS-Herrscher war nicht ein fernes Später, sondern der ganz normale Alltag der Gegenwart.
Auch wenn immer wieder auf äußerliche Gemeinsamkeiten zwischen der NS-Propaganda und der Propaganda der DDR hingewiesen wird, war die methodische Ausrichtung doch grundverschieden. In ganz klarem Unterschied zur NSDAP arbeitete die Propaganda der SED so gut wie niemals phänotypisch: Natürlich begegnet uns auch in der DDR der hammerschwingende Arbeiter, aber er hat jetzt das stilisierte Gesicht des zeit- und ortslosen „Helden“, er ist kein spezifisch „deutscher“ Held mehr, d.h. sein Bild könnte auch in einem kommunistischen Parteibüro in Moskau oder Hanoi hängen, ohne dass sich jemand daran stört. Die propagandistische Botschaft dieses Arbeiterbilds war in DDR-Zeiten: „Die Partei kümmert sich um den Arbeiter, der Arbeiter ist stark, und der Arbeiter soll produktiv sein“. Wie der Arbeiter persönlich aussah, spielte keine Rolle. Auch der Gegenwartsbezug der NS-Propaganda fehlte in der DDR: Die SED hatte die Gegenwart zwar nur bedingt im Griff, konnte zur Entschuldigung aber dank kommunistischer Geschichtslehre (der Kommunismus als letzte Stufe der menschlichen Entwicklung) bequem in die Zukunft fliehen. Der „Aufbau“ des Sozialismus war immer ein auf Langfristigkeit angelegtes Projekt, der Arbeiter schwang seinen Hammer daher gern vor aufgehender Sonne oder marschierte, glücklich gen Himmel blickend, durch die Gegend, d.h. der Staat der SED definierte sich selbst als ein noch unvollkommenes Staatswesen, ständig irgendwie im Aufbruch und unterwegs in eine leuchtende Zukunft in weiter Ferne, eine Interpretation, die erst ganz am Ende der SED-Diktatur durch die Parole vom „real existierenden Sozialismus“ aufgegeben wurde.
In deutlichem Unterschied zur NS-Propaganda zielte die sozialistische Propaganda der DDR zudem nicht allein auf Vermittlung der staatlichen Ideologie (die bloßen Inhalte des Kommunismus waren in Deutschland 1949 weitgehend bekannt), wichtig war auch der Aspekt der politischen Überzeugungsarbeit. Man befand sich ja ganz offiziell im Wettlauf mit dem Kapitalismus, also hatte man gelegentlich „Erfolge“ vorzuweisen, um nicht als lahme Ente zu erscheinen. In der sozialistischen Propaganda schwang daher immer der Gesichtspunkt der Rechtfertigung mit: Das staatliche Wohnungsbauprogramm wurde als „Erfolg“ im Vergleich zur angeblichen Obdachlosigkeit im Westen dargestellt, die Weltjugendspiele als „Erfolg“ eines Friedensstaates im Gegensatz zum „Imperialismus der BRD“. In der NS-Propaganda spielten demgegenüber politische Vergleiche nie eine Rolle. Gab es „Erfolge“ vorzuweisen, wurden sie als vollendete Tatsachen kommuniziert („Danzig wieder deutsch!“), aber sie dienten weder der ideologischen Überzeugungsarbeit noch der Rechtfertigung. Der NS-Staat verlangte Gehorsam und ergebene Einordnung in die Volksgemeinschaft und ließ sich auch in seiner Propaganda nicht auf Debatten ein.
Die heutige „Bunte Republik“ wird oft leichtfertig als „DDR 2.0“ bezeichnet, ein Begriff, der zumindest auf ihre propagandistischen Methoden nur bedingt zutrifft. Da hammerschwingende Arbeiter im heutigen Wirtschaftsumfeld selten geworden sind, begegnet uns der Arbeiterheld in der aktuellen Kampagne „Meine Stadt. Mein Land. Meine Aufgabe.“ als türkischer Feuerwehrmann. Die Botschaft an den Betrachter lautet: „Die Partei kümmert sich um den Arbeiter, und so soll er aussehen: bunt, undeutsch, türkisch.“ Der Staat bedient sich also wieder einer phänotypischen Kommunikationsweise, die schon für die NS-Propaganda charakteristisch war: Der Feuerwehrmann ist nicht irgendein Feuerwehrmann, sondern ein Feuerwehrmann mit einer ganz bestimmten ererbten Äußerlichkeit (im Buntdeutsch: „Herkunft“, im NS-Deutsch hätte man „Rasse“ gesagt). Kommuniziert wird also zusätzlich die Botschaft: „Die Partei teilt Menschen wieder nach äußerlichen Merkmalen ein und sorgt dann für Bevorzugung von Menschen mit bestimmten äußerlichen Merkmalen“. Ähnlich wie der frühen NS-Propaganda geht es also auch der derzeitigen bunten Propaganda um die Vermittlung der tieferen Inhalte der Ideologie. Die Deutschen wissen ja noch gar nicht richtig, was „Bunte Republik“ im einzelnen bedeutet: Die Wiedereinführung der Ungleichheit der Menschen vor dem Gesetz und die gezielte staatliche Bevorrechtung von Menschengruppen, die bestimmte äußerliche (Buntdeutsch: „ethnische“, NS-Deutsch: „völkische“) Gemeinsamkeiten aufweisen.
Diese Zielsetzung, die eigentlichen Inhalte der Ideologie zu kommunizieren, offenbart sich auch im legendären bunten Propagandaplakat „Gemeinsam aufgebaut“ vom Herbst 2011, das einen deutschen und türkischen Jungen sich umarmend in Fußballkleidung zeigt, beide genau gleich groß, mit zweisprachigem Propagandatext. Da in diesem Text der Begriff „das Land“ zu ergänzen ist, lautet die Gesamtbotschaft hier: „Deutsche und Türken haben genau den gleichen Anspruch auf das Land, da sie es zu genau gleichen Teilen gemeinsam aufgebaut haben. Auch ihre Sprachen sind deshalb genau gleichberechtigt“ – eine erste propagandistische Vorbereitung auf zwei weitere zentrale Themen der Bunten Republik: die Einführung des Türkischen als offizieller amtlicher Zweitsprache in Deutschland und den bereits heute in türkischen Polit-Kreisen regelmäßig zu hörenden türkischen Territorialanspruch, vor allem auf NRW.
Auch bei der Propagierung ihres Feindbildes setzt die Bunte Republik ähnlich wie die NS-Diktatur auf phänotypische Methoden. Der hässliche Untermensch der Bunten Republik ist natürlich deutsch, speziell: „der Nazi“. Abstoßende Filmaufnahmen dieser Kreatur werden daher mehr oder weniger stündlich in der Tagesschau gezeigt: Glatze, Springerstiefel, Verbrechervisage. Folgerichtig zeigt die Tagesschau niemals Aufnahmen türkischer Rechtsextremisten. Die phänotypisch propagierte Gesamtbotschaft lautet also: Nicht der Rechtsextremismus an sich ist Feindbild der Bunten Republik, sondern nur deutscher Rechtsextremismus.
Letztlich: Im Gegensatz zur DDR-Propaganda fehlt der Propaganda der Bunten Republik auch jeglicher Zukunftsbezug. Hinter dem türkischen Feuerwehrmann geht keine Sonne auf, die beiden Fußballer stehen starr auf dem Rasen, sie brechen nirgendwohin auf. Kommuniziert wird daher wie in der NS-Zeit ein idealisiertes Bild der Gegenwart – vielleicht, weil die Bunte Republik angesichts der für die Deutschen düsteren Zukunft auf den sinnlosen Entwurf einer solchen Perspektive bewusst verzichtet, vielleicht aber auch, weil das Hauptproblem der Bunten Republik nicht irgendeine ferne Zukunft ist, sondern ähnlich wie für den Hitlerstaat die ganz konkrete Gegenwart, die an allen Ecken und Enden im Widerspruch zur Propaganda steht. Auch den für die DDR-Propaganda so wichtigen Aspekt der politischen Rechtfertigung sucht man in der bunten Propaganda vergeblich. Bunte „Erfolge“ werden nicht als Teil politischer Überzeugungsarbeit inszeniert, sondern wie im NS-Staat als vollendete Tatsachen („Du bist Deutschland!“). Der bunte Staat debattiert nicht wirklich, sondern erwartet von den Deutschen – seine Propaganda richtet sich ja ausschließlich an Deutsche – ein gottergebenes sich Fügen. Ähnlich wie in der Wortsprache (NS: „Deutschland braucht Kolonien!“, Buntsprech: „Deutschland braucht Zuwanderung!“) zeigen sich also auch in der Bildsprache verstörende Übereinstimmungen zwischen NS-Staat und Bunter Republik.
Im Unterschied zur Propaganda der DDR mit ihrer zeit- und ortslosen Bildsprache, ihrer Zukunftsgerichtetheit und zumindest indirekten Kommunikation zwischen Betrachter und Staat, zeigen NS-Propaganda und Propaganda der Bunten Republik deutliche Gemeinsamkeiten hinsichtlich ihrer phänotypischen Methoden, ihres Verzichts auf die Darstellung einer greifbaren Zukunftsperspektive und ihrer frontalen Kommunikationsweise, d.h. ihrer schlichten Konfrontation des Betrachters mit ideologischen Inhalten. Nimmt man die äußerliche Form der Propaganda zum Anhaltspunkt für künftige politische Entwicklungen, weist die Propaganda der Bunten Republik daher weniger in Richtung einer „DDR 2.0“, als vielmehr einer Neuauflage der NS-Diktatur, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen.