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Auf 3sat lief im Sommer die Dokumentation “Iuventa” über das gleichnamige Schiff, das von der deutschen NGO “Jugend Rettet” im Mittelmeer zur Rettung der Flüchtlinge eingesetzt wurde.
Schiff gekauft aus dem Erlös (300.000 €) einer Crowdfunding-Kampagne. Vorbildliche Tarnung.
Auf dem Schiff ist ein ausgebildeter Seemann aus Bremen, der schon als Offizier tätig war. Er ist der Kapitän, koordiniert alles auf dem Schiff. Zusätzlich ist ein italienischer Kameramann als Aufpasser an Board. Er filmt alles. Dazu gibt es ein gefühltes Dutzend junger Menschen, die als Dekoration und Tarnung dienen und ernsthaft an das Gute ihrer Mission glauben. Angeführt werden sie vom Gründer von “Jugend Rettet”, der sich ein eigenes Bild von der Rettungsmission machen will und deshalb dabei ist.
Die Iuventa fährt vor die libysche Küste und patroulliert dort einen Küstenabschnitt, der ihr von einer italienischen Behörde zugewiesen wurde. Entlang der Küste patroullieren weitere Rettungsschiffe, die alle von der Behörde koordiniert werden. Aus welchen Crowdfunding-Kampagnen sich die übrigen Schiffe und deren Betrieb finanzieren, wird nicht mitgeteilt.
Die auf Bild dokumentierte Rettung sieht folgendermaßen aus: Die Iuventa bekommt über Funk mitgeteilt, dass vier Boote in ihren Sektor reingefahren sind. Von der Iuventa wird ein Motorboot ins Wasser gelassen, das sich auf die Suche nach den Flüchtlingsbooten macht. Die Flüchtlingsboote, allesamt vollbesetzt mit Männern (ist ja überall so im Krieg, dass die jungen Männer fliehen und ihre Frauen und Kinder im Bombenhagel zurücklassen, um den Krieg zu gewinnen), treiben einfach nur herum und schwimmen überhaupt nicht. Die Boote warten stumpf darauf, dass sie aufgesammelt werden. Genau das passiert auch. Das Iuventa-Motorboot zeigt den Flüchtlingsbooten, wo die Iuventa ist und weisen sie an, dorthin zu fahren.
Nachdem sich die Iuventa mit Flüchtlingen vollbeladen hat, wartet sie auf ein Schiff der italienischen Küstenwache, das die Flüchtlinge übernimmt und nach Europa bringt. In der dokumentierten Schlepper-Industrie ist der Job der Iuventa also lediglich das Aufsammeln der Flüchtlinge von den Gummibooten vor der libyschen Küste.
Obwohl der Prozentsatz der Frauen unter den aufgenommenen ersten Flüchtlingen marginal ist, werden diese überproportional ins Bild gerückt.
Nachdem die Jungs von der Iuventa gezeigt haben, dass sie in der Lage sind, die Flüchtlinge von den Gummibooten auf ihr Schiff zu überführen, bekommen sie auch Flüchtlingsboote mit mehr Frauen, teilweise sogar mit Kindern. Die Kamera fokussiert sich auf die Frauen und Kinder. Dabei bleibt ihr Anteil, wie aus dem Material insgesamt hervorgeht, marginal.
Kein Flüchtling bekommt an Board der Iuventa etwas zu essen oder zu trinken, jedenfalls dokumentiert es die Kamera nicht. Der Aufenthalt der Flüchtlinge ist offensichtlich stets nur von kurzer Dauer. Aus irgendeinem, vielleicht einem juristischen, Grund, ist es wichtig, dass die italienische Küstenwache die Flüchtlinge nicht von den Gummibooten, sondern von Schiffen aufnimmt.
Die Retter fragen sich, woher all die Gummiboote kommen. Einer sagt, er habe gehört, dass die Container-weise aus China nach Libyen eingeführt werden. Ein anderer erinnert daran, wie während des Völkermordes in Ruanda Container-weise Macheten aus China importiert wurden. Den Chinesen sei wirklich alles egal, sagt der Retter-Zombie verächtlich. Seine Windung im Gehirn stellt sich nicht die Frage, wer in China so viele Container voll von Gummibooten, Rettungswesen oder Macheten bestellt. Er geht wohl davon aus, dass chinesische Produzenten das aus eigener Tasche bezahlen, weil sie nichts besseres zu tun haben. Dabei hat China einfach eine gigantische Industrie, die alles mögliche für den Weltmarkt produziert, darunter auch Gummiboote in allen möglichen Größen und Macheten in allen möglichen Formen. Die Frage ist, wer kauft das Container-weise für die Flüchtlinge.
In der Winterperiode arbeiten die Retter Forderungen an die EU und Deutschland aus, dass diese die Flüchtlingsrettung besser finanzieren sollen. Dazu PR-Arbeit in den Medien. Unter anderem wird die Behauptung abgelehnt, dass die Retter, die organisiert die gesamte libysche Küste abdecken, die Flüchtlingswelle nur verstärken würden – nein nein, tun sie nicht. In einer internen Sitzung wird dieses Thema auch angesprochen und da stellt sich heraus, dass die Retter teilweise selbst befürchten, dass ihr systematischer Auftritt vor der libyschen Küste zu mehr Risikobereitschaft bei den Flüchtenden führt. Auf jeden Fall haben sie keine Zahlen (das geht aus der internen Diskussion deutlich hervor), die das widerlegen würden und die öffentlich verkündete Behauptung stützen könnten.
Der Gründer von “Jugend Rettet” springt nach einem Jahr ab. Die Iuventa zieht im Frühling 2017 in die zweite Rettungsmission aus, aber da ist das Meinungsbild in der EU schon gekippt und an den NGOs wird Kritik geübt. Sommer 2017 wird die Iuventa beschlagnahmt. Auch andere private Rettungsmissionen kommen seitdem immer mehr unter die Räder der EU.
In der Filmwerbung aus dem oben zitierten Link heißt es: “Aus dem umfangreichen Material entstand das Bild einer Gruppe engagierter junger Leute, die aus Empörung über das Schicksal von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer ihr gewohntes Leben aussetzten, um sich einer für vordringlich erachteten Aufgabe zu widmen, die ihrer Meinung nach von den europäischen Regierungen ignoriert wurde.” Hervorhebung von mir. Aus dem Film geht hervor, dass ein Retter sein Studium unterbrochen hat, ein Retter arbeitslos ist und keine Lust hat, sich wieder im Amt zu melden. Ein Retter hat auf eindringliche Nachfrage, was er sonst gemacht hätte, sinngemäß gesagt: “keine Ahnung, ich mache einfach, worauf ich Lust habe”. Nun, zweifellos haben sie alle ihr gewohntes Leben ausgesetzt, aber die mit dieser Feststellung erzielte Suggestion eines großen Opfers lässt sich anhand des Films nicht belegen, sondern zeigt das gegenteilige Bild.
Der erste Einsatz der Iuventa war im Frühling/Sommer 2016. Ein paar Tausend Flüchtlinge wurden von der Iuventa gerettet. Mit der Mission von 2017 waren es insgesamt 14 Tausend gerettete Flüchtlinge (das bedeutet, von einem Boot aufgesammelt und an ein anderes Boot übergeben). Auf der emotionalen Ebene setzt sich beim Zuschauer der Eindruck fest, dass es solche engagierten jungen Menschen sind, die – Spenden sei Dank – die Rettung der Flüchtlinge organisieren. Dabei haben die Zuschauer einen winzig kleinen Akteur des großen Dramas kennengelernt. Es ist absolut gewollt, dass der Eindruck von diesem Akteur in der Wahrnehmung der Zuschauer verallgemeinert wird.
Quelle: Vera Lengsfelds Blog