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Ein Kunstwerk erhält seinen Wert dadurch, ein Inbegriff großer Kunst zu sein. Die Mona Lisa ist nicht berühmt, weil sie von da Vinci stammt, sondern Leonardo da Vinci ist berühmt, weil er die Mona Lisa gemalt hat. Die Sixtinische Kapelle ist nicht berühmt, weil sie von Buonarroti ausgemalt wurde, sondern Michelangelo ist berühmt, weil er die Decke der Kapelle gemalt hat.
Wenn ein Liebhaber und Sammler ein Kunstwerk nach ausgiebiger Betrachtung und Begutachtung für so wertvoll hält, daß er 90 000 € dafür ausgibt, dann ist das (für ihn) der Wert dieses Bildes. Ein Experte mag für sein künstlerisch-sachverständiges Urteil mit einem Handyknipsbild auskommen oder es vor allem auf das Rastermuster gründen, der Kenner und Kunstliebhaber hatte das vollständige Gesamtbild vor Augen und konnte seinen künstlerischen Wert ausführlich selbst beurteilen.
Natürlich gibt es auch Ausnahmen von dieser Grundregel. Hitler-Aquarelle und Mao- und Stalin-Autographen sind gerade nicht aus sich selbst heraus wertvoll sondern allein durch die Faszination ihrer Urheber. Wenn das Kölner Schöffengericht also genau diesen Maßstab an ein putatives Werk von Sigmar Polke anlegt, dann stellt es den Künstler demonstrativ und explizit auf eine Stufe mit diesen Massenmördern.
Ob diese Sicht berechtigt ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich kenne Sigmar Polke nicht, aber zumindest kann ich aus dieser Form der Bewertung ein erstes Urteil über den Wert seines restlichen Œuvres ableiten. Ob diese Form der Beurteilung aber mit dem projizierten Selbstbild der Kenner, Sammler und Liebhaber übereinstimmt? Der vorsitzende Richter Karl-Heinz Seidel zumindest scheint das genau so zu sehen.
Quelle: Clemens Schminke, Kölner Stadt-Anzeiger